Die meisten Blätter waren noch vom Mobilisierungstaumel gegen das "hinterlistige und gehässige Volk" der Serben erfasst. "Altösterreich wach auf! Säume länger nicht! Pack' an der Gurgel dieses Schandgezücht!", dichtete etwa das erwähnte "Organ des Niederösterreichischen Bauernbundes".
"Steh' auf mein Volk: Der Kaiser ruft!", stand die "Neue Warte am Inn" an Patriotismus um nichts nach.
Die "Arbeiter-Zeitung" warnte
Das "Zentralorgan der Deutschen Sozialdemokratie in Oesterreich", die "Arbeiter-Zeitung" eben, warnte hingegen bereits am 2. August vor einem Kriegseintritt Russlands, Englands und Frankreichs, weil dieser gleichbedeutend mit einem Weltkrieg sei. "Was seit Jahrzehnten wie ein Gespenst des Grauens vor uns stand, die alles in den Strudel des Verderbens hinabziehende Weltkatastrophe, beginnt vor unseren erstarrten Blicken ihre Schrecken zu entfalten."
Solch eher kritische, dem Meinungs-Mainstream widerlaufende Artikel, wurden mit der Zeit immer seltener, ihre Publizierung nämlich schwieriger. Das unmittelbar zu Kriegsbeginn geschaffene Kriegspressequartier (KPQ) kontrollierte die Medien zunehmend.
Diente es zunächst nur zur Koordination der Berichterstattung der Printmedien, wurde es im Verlauf des Krieges überhaupt zu Österreich-Ungarns zentraler militärischer Propagandaeinrichtung. Die "Arbeiter-Zeitung" war eines jener Blätter, dessen Artikel oft von der Zensur beanstandet wurden. Sie erschien nicht selten mit weißen Flecken.
Jubelmeldungen überwogen
Ganz nach dem Geschmack des "KPQ" waren hingegen wohl die Schlagzeilen, mit denen beispielsweise das "Neuigkeits-Welt-Blatt" die von der "Arbeiter-Zeitung" befürchtete Wende hin zum Weltkrieg verkündete. "Frankreich und England haben Oesterreich unter lügenhaften Vorwänden den Krieg erklärt", war da zu lesen.
Gleich darunter wurde über den "siegreichen Kampf unserer Truppen gegen russische Infanterie und Kavallerie" berichtet. Um die "Depeschen" noch abzurunden, wurde eine Zeichnung publiziert. Unterschrift: "Bilder aus St. Petersburg, dem Zentrum der europäischen Kriegshetze."
Gleichzeitig frohlockte die "Neue Zeitung": "Unsere Truppen in Serbien." Das "Neue Wiener Journal" sekundierte: "Einmarsch in Serbien. Alle von unseren Truppen unternommenen Aktionen sind erfolgreich." Dass dies keineswegs gleichbedeutend mit einem baldigen Ende des Blutvergießens war, wurde etwas weiter unten deutlich.
"Neue Einberufungen für den Kriegsdienst", stand dort zu lesen: "Wir erfahren von verlässlicher Seite: Die im Kriegsfalle vorgesehene vorzeitige Einberufung der Rekruten und Ersatzreservisten dieses Jahres wird, insoweit sie noch nicht erfolgt ist, in acht bis zehn Tagen verfügt werden."
"Von Sieg zu Sieg"
Ende des Monats hatten dann aber auch alle begriffen, was es geschlagen hatte: "Das gewaltigste Ringen der Weltgeschichte. Die Riesenschlacht mit Russland." So titelte der "Allgemeine Tiroler Anzeiger" am 30. August in einer "Sonder-Ausgabe". Ähnlich sah es das "Wiener Montags-Journal" am Tag darauf: "Die Schlacht der Millionenheeres. Siegreich verlaufende Kämpfe im Osten."
Überhaupt schienen die österreichischen und deutschen Truppen laut den zeitgenössischen Medienberichten unwiderstehlich von Sieg zu Sieg zu eilen. Sodass die "Neue Zeit" gewiss war: "In der Geschichte der Menschheit wird das Kriegsjahr 1914 einen ganz speziellen Raum einnehmen."
Schon damals: "Die Ukrainer gegen Russland"
Auch aus heutiger Sicht spannend ist die Sicht der Dinge, wie sie von der damals in Czernowitz erscheinenden "Bukowinaer Post" verbreitet wurde. "Die Ukrainer gegen Russland", hieß es dort. "Ein Krieg Oesterreichs gegen Rußland! Es ist, als ob die Uhr der Weltgeschichte auf eine Weile innehielte, um zu einem mächtigen Schlag auszuholen. Denn es wird ein Krieg geführt, in welchem sich Kultur und Barbarei mißt, Freiheit und Sklaverei miteinander ringen, ein Krieg zwischen zwei Staatswesen, deren eines uns Heimat, deren zweites der Kerker unserer Nation ist."
Denn, so die "Bukowinaer Post" mit einem Blick in die regionale Geschichte: "Ein Teil des ukrainischen Königreichs Galizien und Lodomerien ging unter die wohltuende österreichische Herrschaft über, als rechtsmäßiges Erbe der Habsburger; der weitaus größere Teil dieses Erbes blieb unter der Knute des Moskowiters und stöhnt derselbe, wie der Rumäne und Kaukasier und alle die vielen Volksstämme des Zarenreiches in unerträglicher Sklaverei, allzeit bereit, das Joch von sich zu schütteln."
Die Rolle des Sports
Während also unter den tragischen Umständen in allen Teilen der Monarchie der Informationshunger groß war, und die Tageszeitungen eine Hausse erlebten, hatten andere Medien unter der Aktualität zu leiden. Das "Illustrierte Sportblatt" bestand am 6. August nur aus einer einzigen Seite.
"An die geehrten Leser!", war darauf zu lesen. Und: "Die durch die Weltereignisse bedingte Absage sämtlicher sportlicher Veranstaltungen in Österreich, veranlaßt uns, das Erscheinen des "Illustr. österr. Sportblatt" für die Dauer der kriegerischen Verwicklungen einzustellen. Das Wiedererscheinen des Blattes werden wir den geehrten Lesern rechtzeitig bekanntgeben."
Ganz so dick kam es dann doch nicht. Die nächste Ausgabe erschien bereits wieder am 12. September. Das Titelblatt zierte ein ganzseitiges Foto aus "dem Wettspiele Amateure-W.A.C." Auf Seite drei wurde über das Faktum raisoniert, dass trotz des Weltkrieges beispielsweise wieder Fußball gespielt wurde.
"Sport in Kriegszeiten. Sollen wir während des Krieges Sport betreiben? Die Meinungen sind geteilt. Die einen sagen, daß Zerstreuungen dieser Art unpassend wären; die anderen behaupten wieder, daß das Volk den Sport nötig habe, zu jeder Zeit, jetzt sogar mehr als sonst, weil er ein Mittel ist, Kraft und Mut zu heben, Eigenschaften, die nun mehr mit recht besonders hoch in Ansehen stehen. Übermütiges, zweckloses Spiel mag als Herausforderung betrachtet werden, niemals ernster Sport, dessen überragenden Wert man bereits im Frieden kennen gelernt hat. Die letztere Ansicht ist zweifellos die richtige."
science.ORF.at/APA
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