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Star mit erbeutetem Insekt

Weniger Vogelnahrung durch Pestizide

Manche Spritzmittel haben nicht nur Einfluss auf das Bienensterben, sie können auch die Zahl der Singvögel vermindern. Selbst wenn sie für die Tiere nicht direkt schädlich sind, verringern sie das Nahrungsangebot. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler, die die Auswirkungen des verbreiteten und umstrittenen Imidacloprid untersucht haben.

Neonicotinoide 10.07.2014

Imidacloprid gehört zur Familie der Neonicotinoide, genauso wie die Pestizide Clothianidin und Thiamethoxam. Ihr Einsatz ist seit 1. Oktober 2013 in Österreich für drei Jahre verboten, nachdem der Zusammenhang mit dem Bienensterben publik wurde.

Ö1 Sendungshinweis:

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 10.07., 13:55 Uhr.

Schädigung der Insekten

Die Forscher um Caspar Hallmann von der niederländischen Radboud-Universität fanden heraus, dass bei einer Konzentration des Pestizids Imidacloprid von mehr als 20 Billionstel Gramm pro Liter Oberflächenwasser die Anzahl der Vögel jährlich um 3,5 Prozent zurückging. Das Team hatte 15 Arten untersucht, darunter Stare und Schwalben. Neun davon ernähren sich ausschließlich von Insekten und sechs füttern ihren Nachwuchs damit.

Imidacloprid schädigt das Nervensystem von Insekten und anderen wirbellosen Tieren, gilt aber den Forschern zufolge als weitgehend unschädlich für Vögel und Säugetiere. Den Grund für den Rückgang der Vogelpopulationen sehen die Wissenschaftler darin, dass das Pestizid den Vögeln einen Teil ihrer Nahrungsgrundlage nimmt.

Die Studie:

"Declines in insectivorous birds are associated with high neonicotinoid concentrations" von Caspar A. Hallmann und Kollegen ist am 9. 7. 2014 in "Nature" erschienen.

Star erbeutet Nahrung in der Wiese

Radboud University, by Jouke Altenburg

Ein Star Sturnus vulgaris erbeutet Nahrung. Er gehört zu einer der 15 untersuchten Vogelarten, die unter den Pestiziden leiden.

Neonicotinoide leben lang

Imidacloprid und andere Substanzen aus der Gruppe der Neonicotinoide seien sehr langlebig und könnten auch vielen Insekten schaden, die nicht Feinde der Nutzpflanzen seien, schreibt Dave Goulson von der britischen Sussex University in einem "Nature"-Kommentar. Nur etwa fünf Prozent des Wirkstoffs gelange auf die zu schützende Pflanze.

Ein kleiner Teil verfliege als für Insekten giftiger Staub, der Großteil lande aber im Boden und verbreite sich mit dem Bodenwasser auch in nahe Gewässer. Er könne dort ebenso Insekten beeinträchtigen. Da nach über 2,5 Jahren oftmals erst die Hälfte der Neonicotionoide abgebaut sei, reicherten sie sich in der Umwelt an und könnten von anderen Pflanzen aufgenommen werden. Dies und die gute Löslichkeit in Wasser machten Neonicotinoide für viele Insekten besonders gefährlich.

Klarer Zusammenhang zu Vögeln

Hallmann und Kollegen stützten sich bei ihrer Studie auf zwei langjährige niederländische Messreihen: Die lokale Konzentration von Imidacloprid-Rückständen in den Jahren 2003 bis 2009 sowie die Anzahl von Singvögeln in den Jahren 2003 bis 2010. Der Abgleich ergab einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Pestizidanwendung und der Verringerung des Vogelbestands. Mit zwei weiteren Untersuchungen schlossen die Wissenschaftler aus, dass der Rückgang andere Ursachen haben könnte: Weder habe der beobachtete Trend schon vor dem Einsatz von Imidacloprid bestanden, noch sei eine Veränderung der Flächennutzung für die geringere Anzahl von Vögeln verantwortlich.

Die künftige Gesetzgebung solle die potenziellen Folgeeffekte von Imidacloprid auf Ökosysteme in Betracht ziehen, fordern Hallmann und sein Team. Wie bereits sehr geringe Mengen Imidacloprid und ähnlicher Stoffe auf Bienen wirken, hat kürzlich eine Studie der Freien Universität Berlin gezeigt: Viele Bienen verloren die Orientierung und fanden nicht oder nur auf Umwegen zum Stock zurück.

science.ORF.at/dpa

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