Am 4. August 1914 - sieben Tage nach der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien - waren rund 25.000 deutsche Soldaten im damals neutralen Belgien einmarschiert.
In der alten Universitätsstadt Löwen richteten sie zwischen dem 25. und 28. August ein Blutbad an, bei dem mehr als 200 Zivilisten getötet wurden. Sie starben entweder in knapp 1.100 in Brand gesetzten Häusern oder wurden erschossen.
Mittelalterliche Bibliothek zerstört
Gedenkfeier in Lüttich
Bei einer großen Gedenkfeier im belgischen Lüttich haben heute zahlreiche Staats- und Regierungschefs Europas an den Beginn des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren erinnert. Teilgenommen haben unter anderen
Der britische Prinz William, seine Frau, Herzogin Kate, Frankreichs Präsident Francois Hollande, Belgiens Königin Mathilde, Belgiens König Philippe und der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck und Spaniens König Felipe. Österreich war durch Bundespräsident Heinz Fischer vertreten.
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Das Gräuel von Löwen löste unter anderem deswegen weltweite Empörung aus, weil auch die Bibliothek der mittelalterlichen Universität in Schutt und Asche gelegt wurde: 300.000 Bücher verbrannten. Französische, britische und amerikanische Medien werteten die Vorgänge als Beweis für Verrohung und Kulturfeindlichkeit der deutschen Soldaten bei der "Vergewaltigung" des neutralen Belgiens.
Löwen war sechs Tage zuvor widerstandslos von den Deutschen besetzt worden. Nach damaliger deutscher Darstellung sollen Freischärler ("Franctireurs") am Abend des 25. August in der Stadt das Feuer auf deutsche Soldaten eröffnet haben. Angesichts der internationalen Empörung veröffentlichte die deutsche Regierung 1915 ein "Weißbuch".
Darin wurde behauptet, es habe sich um erlaubte Notwehr gegen Heckenschützen gehandelt und die Bibliothek sei nicht von deutschen Soldaten, sondern durch Funkenflug in Brand gesetzt worden.
Vermeintliche Heckenschützen
Diese Version gilt spätestens seit 1958 als wissenschaftlich widerlegt. Der Historiker Peter Schöller ermittelte, damals hätten sich 23 verschiedene deutsche Truppeneinheiten in der Stadt aufgehalten - teils ohne voneinander zu wissen. Er mutmaßte, Deutsche hätten sich versehentlich gegenseitig beschossen.
Die deutsche Armee hatte im August 1914 auch andernorts Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, erschießen lassen, und kleinere Orte dem Boden gleichgemacht - meist wegen vermeintlicher Heckenschützen.
Historiker wie der Ire Alan Kramer bezeichnen die "Franctireurs" als "fixe Idee", die bei den Deutschen für Panik gesorgt habe. Dies habe unter anderem mit dem unerwartet starken Widerstand, mit dem versehentlichen Beschuss eigener Soldaten und mit dem Agieren der mobilen belgischen Streitkräfte zu tun gehabt.
Im Versailler Vertrag wurde Deutschland verpflichtet, die Universitätsbibliothek Löwen wieder herzustellen.
science.ORF.at/dpa/Reuters
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