Offene Daten gegen Korruption
Von Mathias Huter

Mathias Huter
Zur Person
Mathias Huter (30) war bis April 2014 fünf Jahre lang in Tiflis in führenden Positionen für die Antikorruption-NGO Transparency International Georgia tätig. Davor hat er als freier Journalist für verschiedene österreichische und internationale Print-Medien gearbeitet. Huter hat Internationale Beziehungen an der School of Advanced International Studies (SAIS) der Johns Hopkins University in Bologna und Washington DC und Journalismus an der FH Wien studiert.
Seminare beim Forum Alpbach
Im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach leitet Huter mit Hans Gutbrod vom 14. bis 19.8. das Seminar "Der Schlüssel zu Good Governance ". science.ORF.at stellt dieses und weitere Seminare in Form von Gastbeiträgen vor - bisher erschienen:
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Ö1-Hinweise
Eine Reihe von Sendungen begleitet das Europäische Forum Alpbach 2014 in Ö1. Die Technologiegespräche stehen im Mittelpunkt von Beiträgen in den Journalen, in Wissen aktuell, in den Dimensionen und bei der Kinderuni.
Mitglieder des Ö1 Club erhalten beim Europäischen Forum Alpbach eine Ermäßigung von zehn Prozent
Mehr als 2.400 Milliarden Euro geben staatliche Stellen in den EU Mitgliedsstaaten pro Jahr aus, um Güter und Dienstleistungen von Firmen zu kaufen. Das Volumen öffentlicher Beschaffungen macht damit rund 20 Prozent des europäischen Bruttoinlandsproduktes aus. Einige Länder versuchen, Korruptionsrisiken durch Transparenz zu verringern – mit Erfolg.
Innerhalb der EU ist die Slowakei Vorreiter wenn es darum geht, öffentliche Ausgaben wirklich öffentlich zu machen. Seit 2011 werden alle von staatlicher Seite abgeschlossenen Verträge und Vergaben in der Slowakei auf einer zentralen Webseite veröffentlicht. Mehr noch: die Verträge treten erst dann in Kraft, wenn sie im Internet stehen.
"Es gab viel Korruption und keine Kontrolle bei öffentlichen Vergaben", sagt Gabriel Šípoš., Direktor der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International Slovakia, der sich intensiv mit öffentlichen Verträgen befasst. "Die Wirtschaft hat die Einführung weitgehend unterstützt, ich weiß von keiner Firma, die gesagt hat: Wenn das alles offen ist, dann bieten wir bei Projekten nicht mehr mit. Wenn es in einem Vertrag um sensibles Know-How eines Unternehmens geht, was aber nur selten vorkommt, dann kann dieser Teil geheim bleiben, ebenso wenn es um private Daten geht."
Nicht nur etablierte Medien, auch lokale Blogger und Aktivisten arbeiten sich durch die digitalen Dokumente. In einer Umfrage seiner Organisation gaben 2012 acht Prozent der Befragten Bürger an, sich selbst schon einen Vertrag online angesehen zu haben, sagt Šípoš. Derzeit diskutiert auch das tschechische Parlament darüber, das slowakische Modell zu übernehmen.
Milliarden an Aufträgen im Dunklen
Bis zu 4,4 Prozent des Volumens öffentlicher Ausschreibungen versickern durch Korruption. Zu diesem Schluss kommt eine Analyse von Vergaben in acht EU-Staaten, durchgeführt von PwC.
Etwa 40 Milliarden Euro an Aufträgen pro Jahr vergibt die Republik Österreich, um Waren oder Dienstleistungen zu kaufen, schätzte das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft 2010. Die EU-Kommission hingegen bezifferte das öffentliche Beschaffungsvolumen Österreichs 2011 mit 66 Milliarden Euro, Grundversorgungsunternehmen miteinrechnet. Niemand weiß, was die Republik eigentlich so einkauft, und von wem – bislang gibt es keine zentrale Stelle, die darüber Buch führt.
Innovation aus Georgien
Das wohl derzeit innovativste und offenste Modell für die Vergabe staatlicher Aufträge findet sich im südlichen Kaukasus. Georgien führt seit 2011 alle Beschaffungen öffentlicher Stellen elektronisch durch: Firmen können, ähnlich wie auf Ebay, online für Aufträge des Staates bieten – nur dass jedes abgegebene Offert niedriger als das vorherige sein muss.
Georgien setzt auf radikale Transparenz: Jeder Nutzer kann sich auf der Webseite der georgischen Beschaffungsagentur ansehen, welche Firmen wieviel für welche Projekte bieten, wer disqualifiziert wurde und wer schlussendlich den Zuschlag erhalten hat. Somit wird auch für Unternehmen nachvollziehbar, warum die Konkurrenz gewonnen hat. Alle von Firmen– und staatlicher Seite erstellten Dokumente, inklusive unterschriebener Verträge, sowie etwaige Änderungen, stehen online.
Mehr noch: Die Konten des Staates mit der Plattform verknüpft, jede Zahlung an eine Firma für einen bestimmten Auftrag wird veröffentlicht. Auch die Beschaffungs-Budgets von knapp 3.800 öffentlichen Stellen für das laufende Jahr stehen online: Eltern können so etwa sehen, wieviel Geld die Schule ihrer Kinder für neue Computer oder neue Tische eingeplant hat.
Wer glaubt, einen Gesetzesverstoß bei einer Vergabe zu erkennen – etwa weil ein Einkauf klar auf einen bestimmten Lieferanten zugeschnitten scheint – kann innerhalb weniger Minuten online Einspruch erheben und damit den Vergabeprozess stoppen. Innerhalb von zehn Tagen evaluiert eine Kommission die Beschwerde und entscheidet, wie weiter verfahren wird. Wieder gilt: alle Beschwerden und Entscheidungen sind online einsehbar. Seit dem Vorjahr veröffentlicht Georgien auch Rechnungen und Verträge, die ohne Ausschreibung abgeschlossen wurden – bis zur letzten Briefmarke sind alle Ausgaben dokumentiert.
Vertrauen wächst
Durch die Offenheit des Systems ist das Vertrauen in den noch vor einigen Jahren als völlig ineffizienten und als korrupt geltenden Vergabeprozess gewachsen. Das Resultat: Immer mehr Firmen bieten mit, durch mehr Wettbewerb sinken die Kosten für die öffentliche Hand. Rund 1.3 Millionen Lari – 560.000 Euro – hat die Einführung der Vergabe-Plattform 2010 gekostet. Ein schnell rotierender Zähler auf der Vergabe-Webseite beziffert die daraus resultierenden Ersparnisse für die öffentliche Hand bislang auf ein 500-Faches.
Transparenz bei Vergaben kann krumme Deals nicht gänzlich verhindern. Aber es wird schwieriger, Korruption erfolgreich zu verschleiern. Die Datensätze ermöglichen neue Methoden, um mögliche Interessenskonflikte oder Bestechungsfälle zu identifizieren. So zeigte sich, dass 60 Prozent der 2012 von der damaligen Regierungspartei United National Movement gemeldeten Parteispenden von Eigentümern und Managern von Firmen kamen, die im selben Jahr direkt vergebene Aufträge ohne Ausschreibung erhalten hatten; die durchschnittliche Spende betrug vier Prozent des Auftragswertes. Dazu kamen mehr als 100 Millionen Euro an direkt vergebenen Aufträgen, die nachweislich an Firmen im Besitz von Abgeordneten und hohen Beamten, oder deren Ehepartnern, gingen.
Reformen in Hamburg
Ein Skandal hat auch im Hamburg ein Umdenken ausgelöst. Nach explodierenden Kosten beim Bau der Elbphilharmonie und angesichts wachsendem öffentlichen Druck verpflichtete sich die Stadt-Regierung 2012 zu einer neuen Offenheit in der Verwaltung. Das Hamburger Transparenzgesetz soll laut dem Stadtsenat behördliches Handeln nachvollziehbar machen, der Bürger soll "auf Augenhöhe" mit der Verwaltung kommunizieren und sich aktiver in die Gestaltung des Gemeinwesens einbringen können.
Am 6. Oktober geht nun das Transparenz-Register der Stadt Hamburg online. Dort werden Verträge, Zuwendungen, Subventionen, Studien, Gutachten, Genehmigungen und statistische Daten, die mit Steuermitteln erstellt worden sind, für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ohne Urheberrechtsschutz und in Formaten, die einfach weiterverarbeitet werden können. Nur personenbezogene Informationen und Betriebsgeheimnisse werden geschwärzt.
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