Standort: science.ORF.at / Meldung: "Zukunft der Produktion: Die intelligente Fabrik?"

Arbeiter an einem Laufband von Henry Ford

Zukunft der Produktion: Die intelligente Fabrik?

Arbeit am Fließband - das war einmal. Heute wird unter dem Schlagwort "Industrie 4.0" eine Zukunftsvision der industriellen Produktion diskutiert, bei der sich intelligente Maschinen auf Basis von gigantischen digitalen Datenmengen selbst steuern sollen.

Technologiegespräche Alpbach 16.08.2014

Intelligente Maschinen, die ihren Bedarf an Produktionsmitteln selbst ermitteln und wissen, wann eine Wartung ansteht; Produkte, die über ihren aktuellen Zustand Auskunft geben und Upgrades oder gar ihren baldigen Einsatz fordern; Betriebsmittel, die eigenständig Informationen austauschen und sich gegenseitig selbständig steuern - so soll die Fabrik der Zukunft ausschauen.

Gleichzeitig soll dieses Produktionssystem auch mit betriebswirtschaftlichen Prozessen vernetzt sein - das heißt wirtschaftliche Kennzahlen und Ziele des Unternehmens sollen anhand zur Verfügung stehender, digitaler Daten direkt im Produktionsprozess berücksichtigt werden. Fällt etwa ein Zulieferer aus oder werden Produktionsmittel teurer, soll schneller reagiert werden können. So beschreibt jedenfalls Margit Noll vom Austrian Institute of Technology (AIT) die Vision von der "Smart Factory".

Technologiegespräche Alpbach:

Von 21. bis 23. August finden im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach die Technologiegespräche statt, organisiert vom Austrian Institute of Technology (AIT) und der Ö1-Wissenschaftsredaktion. Das Thema heuer lautet "Forschung und Innovation: At the crossroads". Davor erscheinen in science.ORF.at Interviews mit den bei den Technologiegesprächen vortragenden oder moderierenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Mit dem Thema "Industrie 4.0 - die nächste industrielle Revolution?" wird sich am 21. August ein Plenum von Fachleuten beschäftigen. Auch ein Arbeitskreis unter dem Titel "Agile and robuste supply chain" wird sich mit der Zukunft der Produktion auseinandersetzen.

Links:

Weitere Beiträge:

Was nach einer Zukunftsvision klingt, in der Roboter die Kontrolle über Produktionsprozesse übernommen haben, wird in Fachkreisen unter dem Schlagwort "Industrie 4.0" diskutiert. Mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) soll die sogenannte "vierte industrielle Revolution" ein neues Zeitalter der industriellen Produktion einläuten. Nach den bisherigen "industriellen Revolutionen" - also Dampfmaschine, Massenproduktion und Automation - gehe es heute darum, Maschinen miteinander und mit ihren Bedienern in Echtzeit digital kommunizieren zu lassen.

"Big Data" als Produktionsfundament

Fest steht, dass für einen derartigen "cyber-physischen" Produktionsprozess digitale Daten unterschiedlichster Art von benötigt werden. Schon jetzt liefern Produktionsanlagen unaufhörlich Informationen. Diese Daten effizient zu nutzen, sei die Grundvoraussetzung für die "Industrie 4.0", sagt Margit Noll. "Erst durch die intelligente Vernetzung dieser Daten können wir die virtuellen Zusammenhänge im Produktionsprozess - das, was wir unter Industrie 4.0 verstehen - real werden lassen", so Noll. Sie befasst sich mit der Relevanz von "Big Data" - also großen, komplexen, teils dynamischen Datenmengen - in Zusammenhang mit der industriellen Produktion.

Seien es neugeschaffene Daten wie Marktanalysen oder Produktdaten, Bewertungsdaten, die sich aus Kundenmeinungen ergeben, Finanztransaktionsdaten, verhaltensbezogene Kundendaten etwa aus dem Bereich Mobilität oder Energieverbrauch sowie auch User-generierte Daten aus den Sozialen Netzwerken - Noll verspricht sich von der vernetzten Nutzung dieser vielfältigen Informationen im Produktionsprozess sehr viel: eine Steigerung der Transparenz, die Möglichkeit, die Produktion kurzfristig zu verändern, um auf etwaige Störungen zu reagieren, eine Individualisierung der Produkte, neue Geschäftsmodelle und Dienstleistungen oder auch die Möglichkeit Energie einzusparen.

Das ist aber nur eine Seite der schönen, neuen Welt der Produktion. Durch das enorme Ausmaß der anfallenden und genutzten Datenmengen, stellt sich stets auch die Frage nach dem Schutz dieser Daten, insbesondere wenn sie das Nutzungsverhalten von Kundinnen und Kunden betreffen. "Das ist eine der größten Herausforderungen in Zusammenhang mit der Industrie 4.0, die es noch zu klären gilt", gesteht Noll ein. Alleine durch den Umstand, dass höchst unterschiedliche Daten gebraucht und genutzt werden, sei die Frage nach der Datensicherheit keine einfache. "Hier ist eine breite Diskussion notwendig, der sich auch die Unternehmen stellen müssen", so Noll.

Die Rolle des 3D-Druckers

Aber nicht nur die Nutzung von gigantischen Datenmengen soll einen wesentlichen Faktor in der Zukunft der industriellen Produktion darstellen, sondern auch neue Technologien. Bekanntestes Beispiel: der 3D-Drucker. Schon jetzt sind diese Geräte in der Lage, Produkte anhand eines Bauplans einfach und individuell "auszudrucken". Auch wenn das aktuell noch nicht im großen Stil passiert: In der Konsumelektronik, beim Kraftfahrzeugbau und auch in der Medizintechnik wird der 3D-Drucker - vor allem im US-amerikanischen Raum - bereits eingesetzt.

Denkt man den Einsatz dieser individualisierten Produktionstechnik konsequent weiter, könnte sie eines Tages auch die Produktionskapazitäten eines Landes unwichtiger werden lassen, konstatierte etwa die belgische Wirtschaftswissenschafterin Reinhilde Veugelers, die genauso wie Margit Noll bei den Technologiegesprächen in Alpbach Ende August zu Gast sein wird, in einem Interview mit science.ORF.at.

Qualifizierte Arbeitskräfte gesucht

Auch wenn die Basis dieser Art der industriellen Produktion intelligente Maschinen sein sollen, deren selbständige Steuerung mithilfe digitaler Daten passiert, wird das nicht ohne qualifizierte Fachkräfte gelingen. Diesen neuen Anforderungen müsse auch das Qualifikationsprofil künftiger Arbeitskräfte angepasst werden, sagt Noll.

Die Forderung nach mehr Absolventen aus den MINT-Fächern - also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik - steht deshalb weit oben auf der Wunschliste der Industrie an den Bildungssektor. In Europa studieren derzeit 17 Prozent der Hochschüler eines dieser Fächer. Zum Vergleich werden gerne Südkorea, China und Taiwan genannt - dort haben sich 29 bzw. 31 Prozent der Studierenden für diese Fächer entschieden.

Expertendiskussion in Alpbach

Neben Fragen der Aus- und Weiterbildung werden im Rahmen der Technologiegespräche des Europäischen Forums Alpbach Ende August zentrale Themen sein, wie sich diese neue Art der industriellen Produktion umsetzen lässt, welche Rahmenbedingungen dafür benötigt werden sowie was die Konsequenzen für den Wirtschaftsstandort, einzelne Unternehmen, Kundinnen und Kunden, aber auch für Arbeitswelt und Gesellschaft sein werden.

Theresa Aigner, science.ORF.at

Mehr zum Thema: