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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell am 9.10., 13:55 Uhr
Der erste Mondfahrstuhl ist zunächst rein für Lasten konzipiert, nicht für Menschen. Und so steht Folgendes bei der Firma LiftPort im US-Bundesstaat Washington auf der Einkaufsliste: "Man braucht eine Verankerung auf dem Boden, ein Seil, das diesen Anker mit einem Gegengewicht im All verbindet, eine Bodenstation und natürlich eine Art Kabine, die Lasten zur und von dem Gegengewicht einer Raumstation hinauf und hinunter befördert." Fertig ist der lunare Lift, beschrieben von Anna Guerman vom Zentrum für Luft- und Raumfahrt-Wissenschaften und -Technologien der Universität von Beira Interior in Portugal.
Sie hat untersucht, wie realistisch das Konzept von LiftPort ist. Ergebnis: Technisch wäre dies durchaus binnen fünf Jahren realisierbar, glaubt auch John Knapman, der Direktor des Internationalen Space Elevator Konsortiums. "Die Schwerkraft auf dem Mond ist nur ein Sechstel so stark wie die der Erde", sagt der Brite. Die Materialien müssten deswegen nicht so stabil sein. "Wenn man sich nur ein wenig vom Mond entfernt, lässt seine Anziehung sehr schnell nach." Ist der Fahrstuhl zur Erde ausgerichtet, würden aufsteigende Lasten zusätzlich noch von der Erdmasse angezogen.
Bergbau auf dem Mond
Roboter könnten auf dem Mond Bodenschätze wie Helium 3 abbauen, das wertvoll wäre für die Kernfusion. Diese Proben würden dann mit dem Fahrstuhl rund 50.000 Kilometer hoch zu einer Raumstation transportiert. Astronauten nähmen sie in Empfang und würden dann mit herkömmlichen Raketen die Rückreise zur Erde antreten.
Diese Raumstation würde am Lagrange-Punkt L1 über der Mondoberfläche stillstehen. An diesen Punkten im Erde-Mond-System heben sich die Anziehungskräfte beider Himmelskörper gegenseitig auf. Lasten, die vom Mond bis dorthin aufgestiegen sind, müsste ein kleiner Schubs versetzt werden - z.B. durch die Zündung von Raketentriebwerken -, damit sie in Richtung Erde stürzen, dort wieder abbremsen und auf ihr sicher landen.
"Wir werden die einzelnen Bauteile mit einem einzigen konventionellen Raketenstart Richtung Mond schießen", prophezeit Michael Laine, der Chef von LiftPort. Von dort soll das Aufzugsseil mit der Bodenstation herunter gelassen werden auf die Oberfläche, sich dort selbständig entfalten und mittels dreier Bohrer im Boden verankern.
Fliehkraft = Fahrstuhl
Aufgrund der geringeren Gravitation des Mondes müsste dieses Seil nicht aus den aufwendigen aber extrem stabilen Kohlenstoff-Nanoröhrchen bestehen, an denen derzeit Wissenschaftler weltweit für einen möglichen Lift in die Erdumlaufbahn forschen. Kevlar würde für den Mond ausreichen - Seile, wie sie beispielsweise auch Kitesurfer auf dem Wasser verwenden.
Der Fahrstuhl funktioniert dann so wie ein Ball, den man kreisförmig an einem Seil über seinem Kopf schleudert. Durch die nach außen wirkende Fliehkraft bleibt das Seil straff. In diesem Fall spannt ein Gegengewicht im All das Band.
Offen ist noch der Mechanismus des Kletterroboters, der Fracht am Band entlang nach oben tragen soll. Fest steht nur, dass er möglichst leicht sein muss, da er ansonsten - gemeinsam mit dem Kevlar-Seil und den an ihm befestigten Lasten - das Gegengewicht schlicht aus dem All hinunter auf die Mondoberfläche ziehen würde.
Mit dem Fahrstuhl vom Mond zum Mars
Trotz all dieser Startschwierigkeiten auf dem Weg ins All gehen die Visionen in Sachen Weltraumfahrstuhl bereits weiter, weiter gar als die von Arthur C. Clarke mit seinem Fahrstuhlturm. So könnte ein möglicher Aufzug ins All nicht nur Fracht befördern. Auch Menschen könnten eines Tages in die Fahrstühle steigen. Und die würden, so Michael Laine, Astronauten oder zahlende Weltraumtouristen dann noch weiter tragen als nur hinunter auf den Mond und wieder zurück.
"Wenn man den Ball am Ende des rotierenden Seils loslässt, fliegt er durch die Luft. Dieselben Fliehkräfte könnten Lasten oder Passagiere in Richtung Mars schießen." Von Vorteil dabei sei, dass es keine übermenschlichen Beschleunigungen gebe, auf die man sich in jahrelangem Astronautentraining vorbereiten müsste. Man würde sich mit etwa 200 Stundenkilometern bewegen. "Jeder, der einen Sportwagen fährt, könnte auch in solch einen Aufzug steigen."
Guido Meyer, science.ORF.at