Dass Humor und Lachen nicht unbedingt als kompatibel mit Religion gelten, hat Umberto Eco in seinem Roman "Der Name der Rose" gezeigt. Da hütet der Mönch Jorge von Burgos in einer Benediktinerabtei in Ligurien den verschollen geglaubten Text "Über die Komödie" von Aristoteles. Für ihn stellt diese Schrift, in der der Humor als etwas Befreiendes gilt, eine Gefahr für die Religion dar:
"Die Komödien wurden geschrieben, um die Leute zum Lachen zu bringen, und das war schlecht", heißt es da, "unser Herr Jesus hat weder Komödien noch Fabeln erzählt, ausschließlich klare Gleichungen, die uns allegorisch lehren, wie wir ins Paradies gelangen, und so soll es bleiben."
Zur Veranstaltung
Internationale Konferenz: "Humor und Religiosität in der Moderne", 24. bis 26. September 2014 an der Bergischen Universität Wuppertal.
Organisatoren: Gerald Hartung vom Philosophischen Institut Wuppertal und Markus Kleinert vom Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt.
Literaturhinweise
Lydia B. Amir: Humor and the Good Life in Modern Philosophy: Shaftesbury, Hamann, Kierkegaard, State University of New York Press
Petra Kiedaisch/Jochen A. Bär (Hrsg.): Heiterkeit, Konzepte in Literatur - und Geistesgeschichte, Wilhelm Fink Verlag
Kai Rugenstein: Humor. Die Verflüssigung des Subjekts bei Hippokrates, Jean Paul, Kierkegaard und Freud, Wilhelm Fink Verlag
Silvia Stoller: Wie Nietzsche uns zum Lachen bringt, Interview mit Katia Hay, Journal Phänomenologie, Heft 39, 2013
Religiosität versus Religion
Am Beginn der Konferenz stand eine Differenzierung. Wie die beiden Organisatoren, Markus Kleinert von der Universität Erfurt und Gerald Hartung von der Universität Wuppertal, im Gespräch mit science.ORF.at betonen, müsse man zwischen Religiosität und Religion unterscheiden.
Der Dogmatismus etablierter Religionen lege einen Kanon von Vorschriften fest, der das Leben der Menschen weitgehend reglementiert. Religiosität meint vielmehr eine Distanzierung von vorgegebenen Wertsystemen und Glaubensdogmen: ein Zurückziehen in das Innere des Menschen, das bereits Augustinus als "Weg nach innen" beschrieben hat.
Religiosität hat viel mit Gefühlen zu tun, die etwa im Werk des Theologen und Philosophen Friedrich Schleiermacher eine wichtige Rolle spielen. In seiner 1799 publizierten Schrift "Reden über die Religion an die Gebildeten unter ihren Verächtern" bestimmte er die Religion als das grundsätzliche menschliche Vermögen, sich durch das Gefühl und die Anschauung zum Unendlichen zu verhalten. "Je stärker das Gefühl, desto stärker die Religion", schreibt Schleiermacher.
Der "Weg nach innen" führt zu einer gelassenen Haltung, zu einer Relativierung von Positionen, die mit "heiligem Ernst" (und seit einiger Zeit auch mit tödlicher Entschlossenheit) vertreten werden. Die gelassene Haltung findet sich auch bei Jean Paul, Sören Kierkegaard oder Shaftesbury. Diese Autoren bestehen darauf, dass sich der Humor nicht funktionalisieren lässt. Er ist vielmehr vielschichtig, anarchisch.
Über Dogmen lachen
Humor und Lachen relativieren das Imponiergehabe von philosophischen und theologischen Autoritäten. Sie weisen auf die Bedingtheit der menschlichen Existenz hin. Der in Bochum lehrende Germanist Oliver Koch stellte das Humorkonzept des Schriftstellers Jean Paul (1763 - 1825) vor.
Für Jean Paul ist der Humor eine poetische Leidensbekämpfung durch jene Distanzierung, die der Mensch, der sich auf dem Weg nach innen begibt, vornimmt. Die humoristische Haltung kann als Parodie verstanden werden, die "das Gefühl einer von allen Verhältnissen entfesselten freien Seele" (Jean Paul) vermittelt, die über dogmatische Konzeptionen nur mehr lachen kann.
Ein ähnliches Verlachen dogmatischer Positionen findet sich bei Friedrich Nietzsche, wie Silvia Stoller vom Philosophischen Institut der Universität Wien ausführte. Für sie ist Nietzsche ein "Befürworter" des Lachens, der den Humor als Vehikel der philosophischen Selbstkritik anwendet. In seiner1882 publizierte Schrift "Die fröhliche Wissenschaft" bezeichnet Nietzsche den Intellekt als "eine schwerfällige, finstere und knarrende Maschine, welche übel in Gang zu bringen ist".
Der Humor ist indes verpönt. "Wo Lachen und Fröhlichkeit ist, da taugt das Denken Nichts" – so lautet das Vorurteil, das auch die philosophische Tradition seit der Antike bestimmt hat. Nietzsche geht aber noch weiter. In der "fröhlichen Wissenschaft" erhebt er die Forderung, dass es ein Zeichen von Souveränität sei, über sich selbst zu lachen:
"Ich wohne in meinem eigenen Haus/Hab Niemandem nie nichts nachgemacht/Und – lachte noch jeden Meister aus/Der nicht sich selber ausgelacht".
"Lernen wir zu lachen!"
Der englische Philosoph Anthony Ashley-Cooper (1671 - 1713), 3. Earl of Shaftesbury, betont in seinem Werk die Bedeutung des Humors und des Lachens, wie die israelische Philosophin Lydia B. Amir Rishon vom College of Management Academic Studies in Rishon LeZion in ihrem Vortrag betonte.
Der Humor sei ein gutes Mittel gegen den düsteren religiösen Ernst, wie er vom zeitgenössischen Puritanismus vertreten wurde. Hier herrschten Schuldbewusstsein, Angst vor Strafe und das Bewusstsein, für immer ein Sünder zu sein.
Gegen diesen Schwermut propagiert Shaftesbury den Humor als Gegenkraft. "Lernen wir zu lachen!", empfiehlt der Philosoph - das sei das probate Heilmittel gegen jeglichen Fundamentalismus, übersteigerten Enthusiasmus und blinden Glaubenseifer.
"Test of Ridicule"
Shaftesbury kannte bereits die von Nietzsche empfohlene Therapie des Über-sich-selbst Lachens. Er ging davon aus, dass sich die meisten Menschen viel zu Ernst nehmen und ihre Persönlichkeit als Zentrum der Welt betrachten. Dagegen kannte er ein probates Mittel: den "Test of Ridicule", die Probe des Lächerlichen.
Sie besteht darin, den eigenen Lebensstil einer humorvollen Prüfung zu unterziehen. Dabei sollten die finsteren Bereiche, in denen sich bei jeden Menschen die Gespenster des Ressentiments oder des Überlegenheitsgefühls verstecken, ausgeleuchtet und somit bewusst werden.
Shaftesbury übertrug den "Test of Ridicule" vom persönlichen Bereich auch auf zeitgenössische soziologische Phänomene. Konkret nannte er das Beispiel der sogenannten "French Prophets". Dabei handelt es sich um radikale Protestanten, die nach der Aufhebung des Edikts von Nantes im Jahr 1685 von Frankreich vertrieben wurden und nunmehr in London wirkten. Dort propagierten sie – ähnlich wie die radikalen islamischen Fundamentalisten heute – die Zerstörung Londons und verkündeten apokalyptische Visionen.
Sie fanden zahlreiche Anhänger, die die neue Heilslehre begeistert aufnahmen. Wie sollte man mit ihnen umgehen? – so lautete die Frage von Shaftesbury. Sie mit gewalttätigen Mitteln zu bekämpfen, würde ihren Fanatismus noch bestärken, gab der Philosoph zu bedenken und empfahl, sie vielmehr der Lächerlichkeit preiszugeben. Mit den Mitteln des Komödiantischen oder der Satire sollte der wahnwitzige Glaubenseifer lächerlich gemacht - und deren Sympathisanten unter Umständen zur Besinnung gebracht werden.
Religiosität, verstanden als Distanzierung vom "heiligen Ernst" der Religionen wäre demnach, verbunden mit der subversiven Kraft des Humors, ein Mittel gegen fundamentalistische Religionsfanatiker. Gleichzeitig könnten sie einen Ausgleich schaffen: nämlich zwischen der Ablehnung jeglicher Religion und dem Festhalten an religiösen Traditionen.
"Denn keine ist gegenwärtig und zu beschwören", erkannte bereits Theodor W. Adorno, "ist aber ein jegliches ausgelöscht, so beginnt der Einzug der Unmenschlichkeit".
Nikolaus Halmer, science.ORF.at
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