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Ein Traktor bringt Pestizide aus.

Studie: Seeböden sind Giftarchive

In der Landwirtschaft eingesetzte Pestizide können noch viele Jahrzehnte nach ihrem Verbot die Umwelt schädigen. In den Sedimenten eines französischen Sees inmitten von Weinbergen fanden Forscher Mittel für Pflanzenschutz und Schädlingsbekämpfung aus dem gesamten 20. Jahrhundert.

Umwelt 14.10.2014

Das Insektengift DDT und seine Abbauprodukte wurden noch lange nach dem Verbot im Jahr 1972 in das Gewässer eingeschwemmt, berichtet das Team um Pierre Sabatier von der Université de Savoie in Le Bourget du Lac (Region Rhône-Alpes).

1900 bis 2011

Die Studie:

"Long-term relationships among pesticide applications, mobility, and soil erosion in a vineyard watershed" ist am 13. Oktober 2014 in den "Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaften erschienen.

Ö1-Sendungshinweis

Über die Studie berichtete auch "Wissen Aktuell" am 14. Oktober 2014.

Rund ein Drittel des Wassereinzugsgebiets des Lac Saint André südlich von Chambéry in den französischen Alpen besteht aus Weinbergen. Dort bekämpfen Winzer Unkraut und Schädlinge seit langem mit Pestiziden. Die unbewachsenen Böden an den Weinhängen rutschen häufig ab oder werden bei Regen weggespült.

Dass im Boden gespeicherte Stoffe auch noch Jahrzehnte nach ihrer Anwendung in den See gelangen können, zeigten die Wissenschaftler mit einem Bohrkern aus dem Sediment des Gewässers, der den Zeitraum von 1900 bis 2011 abdeckt. Aus den Schichten des Sediments leiteten Sabatier und Kollegen durch chemische Analysen ab, welche Stoffe in welchen Zeiträumen mit dem ausgewaschenen Boden in den See gelangt waren. Sie fanden Spuren vieler Mittel für Pflanzenschutz und Schädlingsbekämpfung in Schichten, die gut mit den Einsatzzeiten dieser Präparate übereinstimmten.

DDT nach unten gewandert

DDT war dabei ein spezieller Fall: Dessen Spuren fanden sich auch in Schichten, die eigentlich älter waren als der erste Einsatz des Mittels. Die Wissenschaftler erklären dies damit, dass DDT und seine Abbauprodukte im Sediment nach unten gewandert sind.

Überraschenderweise wiesen sie aber die höchsten Konzentrationen des Mittels in Schichten aus den 1990er Jahren nach - also rund 20 Jahre nach dem Verbot von DDT. Ihre Erklärung: Damals setzten die Winzer ein Pestizid ein, dass die Erosion steigert, so dass auch ältere, im Boden gespeicherte Stoffe in den See gespült wurden.

Wiederbelebte Schadstoffquellen

Einige Bestandteile von DDT gelten als chemisch sehr stabil, was auch zum Verbot des Mittels führte. Studien zeigen, dass sich die stabilen Bestandteile in Tieren und Menschen anreichern.

Stellen, an denen solche Gifte im Boden gespeichert sind, können zu Schadstoffquellen werden, wenn die Umweltbedingungen sich ändern, folgern die Autoren. Ihr Fazit: "Im Licht dieser Studie erscheint es äußerst wichtig, dass bei der Einschätzung ökologischer Risiken von Stoffen und beim Management neuer landwirtschaftlicher Praktiken solche Mechanismen der Mobilität von Pestiziden in der Umwelt in Betracht gezogen werden."

Stefan Parsch, dpa/science.ORF.at

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