Standort: science.ORF.at / Meldung: "Von "unibrennt" blieb nur ein Glimmen"

Plakat "Audimax besetzt" von der Besetzung am 19.4.2012

Von "unibrennt" blieb nur ein Glimmen

Nachdem am 22. Oktober 2009 Hunderte Studenten aus Protest für freie Bildung und gegen die Umstellung der Studien auf das Bachelor-/Master-System das Audimax der Uni Wien besetzten, war Hochschulpolitik für einige Wochen in aller Munde. Fünf Jahre danach ist von der "unibrennt"-Bewegung wenig geblieben.

Audimax-Besetzung 15.10.2014

"Große Veränderungen hat es dadurch nicht gegeben", räumt einer der damaligen Aktivisten, Johannes Ruland, ein. An einzelnen Hochschulen hätten Studenten nun etwas mehr Freiheiten bei der Fächerauswahl, allerdings "sehr versteckt und lokal abhängig". Aus der öffentlichen Diskussion seien die Hochschulen wieder verschwunden.

Veranstaltungshinweis:

Zum Fünf-Jahr-Jubiläum will der "harte Kern" der Aktivisten von 2009 mit einer "sozial- und bildungspolitischen Aktionswoche" (20. bis 26. Oktober) noch einmal auf die "unibrennt"-Bewegung zurückblicken. Die Forderungen seien immerhin heute so aktuell wie damals: Unterfinanzierung der Unis, prekäre Bedingungen für Lehrende und schlechte Studienbedingungen.

Chronologie:

Begonnen hatte die Audimax-Besetzung 2009 als spontane Aktion nach Protesten von Studenten der Akademie der Bildenden Künste gegen die Umstellung der Studien auf die Bologna-Struktur mit Bachelor, Master und PhD. Über Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter wurden Unterstützer in den Hörsaal beordert. Ein basisdemokratisch organisiertes "Plenum" entschied über alle wichtigen Angelegenheiten, daneben konstituierten sich "Arbeitsgruppen", die u.a. Forderungskataloge erarbeiteten, Putztrupps und "Volxküche". Inhaltlich wandten sich die Aktivisten gegen Studiengebühren bzw. Zugangsbeschränkungen und forderten "Bildung statt Ausbildung". Mit der Besetzung lösten die Studenten eine breite Debatte aus: An der größten Demonstration nahmen zwischen 10.000 und 50.000 Menschen teil. Die Politik reagierte mit Beschwichtigungsversuchen: Der damalige Wissenschaftsminister Johannes Hahn zapfte seine "Notfallreserve" von 34 Mio. Euro an und initiierte einen rund ein Jahr dauernden "Hochschuldialog", der kein Ergebnis brachte.

Die Uni-Leitung, die die Besetzung anfangs toleriert hatte, verschärfte im Dezember den Ton: Neben Ausgaben von fast einer Mio. Euro für Ersatzräumlichkeiten gab es laut Winckler auch Sicherheitsprobleme in dem zuletzt von Obdachlosen, aber auch angeblich gewaltbereiten Mitgliedern der deutschen Anarchistenszene bevölkerten Audimax. Nachdem sich die Besetzer intern auf keinen Abzug einigen konnten, veranlasste das Rektorat am 21. Dezember in den frühen Morgenstunden die Räumung: Verblieben waren zu diesem Zeitpunkt noch rund zehn bis 15 Studenten und 80 Obdachlose.

Projekte:

Von "unibrennt" geblieben sind mehrere Projekte: Neben einem Kinofilm und einer weiteren Doku entstand das Projekt "Vinzi Rast" auf der Währingerstraße, wo Studenten und Obdachlose in gemischten WGs wohnen. Bis Anfang 2014 gab es das Magazin "übermorgen", das 2013 mit dem "New Media Journalism Award" des Österreichischen Journalisten Clubs ausgezeichnet wurde. Außerdem soll künftig das Archiv der "unibrennt"-Bewegung von 2009 der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden.

Kurzzeitig im Rampenlicht

Auch Georg Winckler, damals Rektor der Uni Wien, sieht nur Änderungen im Kleinen: So habe der Senat der Uni Wien auf die Kritik an den zu starren Studienplänen reagiert, "vielleicht" sei auch die vom späteren Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) zur Verfügung gestellte Uni-Milliarde auf die Proteste zurückzuführen. Bei diesen sei vieles unterstützenswert gewesen, etwa die Forderung nach einer Ausfinanzierung der Unis, nach mehr Spielräumen bei der Studiengestaltung (z.B. Interdisziplinarität, freie Wahlfächer) und der Wunsch nach einem höheren Stellenwert von Wissenschaft und Forschung in der Gesellschaft. "Zumindest in den ersten Wochen ist es der unibrennt-Bewegung auch gelungen, dass dieser Stellenwert in der Gesellschaft gestiegen ist."

Aber eben nur kurzfristig, wie Sigrid Maurer, damals Vorsitzende der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) und heute Grünen-Wissenschaftssprecherin, beklagt. "Heute findet im Gegensatz zu damals überhaupt keine Debatte mehr zu Wissenschaftspolitik statt." Von "unibrennt" seien sonst nur kleine Impulse wie eine Gegenbewegung zur Verschulung der Studienpläne ausgegangen. Durch die 34 Mio. Euro an Sondermitteln, die der damalige Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) aus der Notfalls-Reserve des Uni-Budgets zur Verfügung gestellt hat, habe es außerdem in manchen Studienrichtungen Verbesserung durch zusätzliche Lehrende gegeben. Einen starken Impuls vermutet Maurer auch in Sachen Zugangsbeschränkungen, ohne "unibrennt" wäre der Druck für mehr Aufnahmeprüfungen wohl noch größer. Und: Die Wertschätzung für Studenten in der Gesellschaft habe zugenommen.

Etwas ernster genommen

Für Thomas Schmidinger, Politikwissenschafter an der Uni Wien und 2009 mit den "Squatting Teachers" an den Protesten beteiligt, sind die Hauptprobleme der Hochschulen (prekäre Beschäftigung der Wissenschaftler, schlechte Betreuungsverhältnisse, verschulte Studienpläne) "noch immer die gleichen". Lektoren und prekär Beschäftigte würden zwar nun an der Uni Wien etwas ernster genommen, und in Detailfragen habe es Verbesserungen gegeben.

Die Verschulung der Studienpläne, gegen die die Studenten damals demonstriert hatten, habe aber eher zu- als abgenommen. "Es ist aber natürlich schwer zu sagen, wie stark die Entwicklung ohne Proteste gewesen wäre", ortet er mehr Problembewusstsein. Die finanzielle Lage hingegen sei nicht besser geworden und gerade in den Massenfächern sei die Studiensituation noch schlimmer als vor fünf Jahren. Schmidinger schränkt allerdings ein: "Vielleicht wären die Unis ohne die Proteste tatsächlich in einer noch schlechteren Situation. Man kann also auch nicht sagen, dass die Proteste sinnlos verpufft sind."

Neue Proteste jederzeit möglich

Der Unmut der Studenten über die Situation der Hochschulen ist heute noch groß, ist Maurer überzeugt. "Er ist wegen der noch prekäreren Situation sogar größer geworden." Neue Proteste sind für sie deshalb "jederzeit möglich". Immerhin habe 2009 auch niemand gedacht, dass die Besetzung des Audimax länger als ein Wochenende anhalten würde - es wurden zwei Monate.

"Etwas ähnliches ist durchaus wieder möglich, wenn die entsprechenden Faktoren wieder zusammenkommen", meint Ruland, der eine Aktionswoche zum Fünf-Jahr-Jubiläum der Audimax-Besetzung mitorganisiert. Dazu brauche es aber als "Funken" einen bestimmten Anlass, der die Leute direkt betreffe, so wie damals 2009 die Umstellung der Studienpläne an der Akademie der Bildenden Künste oder die Abschaffung des Bachelors Internationale Entwicklung an der Uni Wien. "'unibrennt' hat gezeigt, dass sich ungeplant, spontan und ohne große Organisationsleistung etwas entwickeln kann. Aber eben weil es nicht organisiert oder gesteuert ist, kann man auch nicht sagen: Ich drücke jetzt auf den Knopf und es geht los", betont er die Unplanbarkeit von Ereignissen wie 2009.

Auch Thomas Schmidinger hält ein Wiederaufflammen der Proteste jederzeit für möglich. Zwar sei der Großteil der damals bei "unibrennt" aktiven Studenten mittlerweile mit dem Studium fertig und die Generation danach scheine sich mit den Strukturen der Uni und den Studienbedingungen abgefunden zu haben. Allerdings, so Schmidinger, hätte er das eine Woche vor der Audimax-Besetzung ebenfalls geglaubt. "Man weiß nie, ob sich nicht wieder Moment ergeben, in denen Protest entstehen kann."

science.ORF.at/APA

Mehr zum Thema: