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Ein Netzwerk von Menschen

Startschuss für Wissenschaftszentren

Österreichs Universitäten müssen ihr geistiges Eigentum besser vermarkten, sagt der Rektor der Universität Wien, Heinz Engl. Um dieses Ziel zu erreichen, soll nun ein landesweites Netzwerk von "Wissenstransferzentren" entstehen.

Forschungspolitik 17.10.2014

"Die Uni Wien hat sich bis vor kurzem als reine Grundlagenforschungs-Universität verstanden", erklärt Rektor Heinz Engl im science.ORF-Interview. In den wurde der Grundstein dafür gelegt, Bewusstsein dahingehend zu schaffen, "dass auch Transfer in die Wirtschaft und die Gesellschaft zu den Aufgaben einer Universität gehört."

Ö1 Sendungshinweis:

Diesem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen Aktuell am 17.10. um 13:55.

science.ORF.at: Worum geht es bei dem Förderungsprojekt "Wissenstransferzentren und IPR-Verwertung"?

Heinz Engl: An jeder Universität gab es in der Vergangenheit immer wieder Versuche, Wissenstransfer durchzuführen, um geistiges Eigentum zu verwerten. Sehr erfolgreich waren hier die technischen Universitäten. Die Vernetzung zwischen den Forschungszentren als auch mit der Wirtschaft fand hier jedoch hauptsächlich über individuelle Kontakte statt. Der große Schritt besteht nun darin, durch Wissenstransferzentren eine Infrastruktur für Transferprojekte zu schaffen und die Entwicklungsprozesse zu koordinieren.

Wie sieht diese Infrastruktur aus?

Es wird einerseits regionale Wissenstransferzentren geben – genauer in den Regionen Ost, Süd und West – als auch ein thematisches Transferzentrum für Life Sciences, welches österreichweit ein Kompetenznetzwerk für Medikamentenentwicklung schaffen soll. Insbesondere hier – im Bereich der Life Sciences - kann das Zentrum helfen, den langen Prozess von der Grundlagenforschungsidee bis zum verkaufsfähigen Produkt erheblich effizienter zu gestalten.

Welche Rolle spielen die regionalen Wissenstransferzentren?

Hier spielt Vernetzung unter Umständen keine so große Rolle mehr, da viele Universitäten schon bisher ihre Kooperationen mit der regionalen Wirtschaft und den benachbarten Instituten hatten. Die eigentliche Innovation ist hier jedoch, die Vernetzung mit den Geistes- Sozial- und Kulturwissenschaften, da diese Wissenschaften bisher selten in Transferprojekte einbezogen wurden.

Was gab den Anstoß, es schließlich doch zu versuchen?

Einerseits zeigt die derzeitige Situation unserer Gesellschaft, dass Wissenstransfer auch in den Bereichen der Geistes- und Sozialwissenschaften wichtiger wird. Auch das neue EU-Förderungsprojekt "Horizon 2020" legt den Fokus auf Forschungsprojekte, die neben dem Wirtschaftssektor auch die Geistes- und Sozialwissenschaften einbinden. Das schafft natürlich einen starken finanziellen Anreiz, die Grenzen zwischen den Wissenschaften auch tatsächlich aufzubrechen.

Fordert ein interdisziplinärer Ansatz bei Forschungsprojekten nicht auch eine Adaptierung diverser Studienprogramme?

Das ist durchaus ein großer Schwerpunkt an der Uni Wien, neue, interdisziplinäre Masterprogramme zu schaffen. In den letzten Jahren haben sich an der Uni Wien Masterprogramme aus interdisziplinären Forschungsprojekten entwickelt. Das schafft neue Karrierewege und Berufsbilder, die auch von der Praxis inspiriert sind. An der Uni Wien besteht noch Aufholbedarf Verbindungen zwischen dem Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften die Verbindungen und den Natur- und Lebenswissenschaften zu schaffen.

Wer wird von den Wissenstransferzentren am meisten profitieren? Wissenschaft oder Wirtschaft?

Beide! Ich habe während meiner Tätigkeit als Professor für Industriemathematik selbst viele Projekte zusammen mit der Industrie gemacht und auch ein Unternehmen gegründet. Um Wissenstransfer durchführen zu können, muss man aus einer Grundlagenforschungsidee und einer Anforderung aus der Industrie erst einmal gemeinsam ein Projekt formen und dann gemeinsam entwickeln. Aus so einem Prozess entstehen für die Grundlagenforschung wieder neue Fragestellungen.

Das heißt, in meinem Fall war es immer so: Wir haben in unseren wissenschaftlichen Arbeiten Impulse aus der Praxis bekommen, die wieder unabhängig von diesen zu wissenschaftlichen Arbeiten geführt haben. Die Wirtschaft profitiert letzten Endes auch nur davon, wenn sie mit Wissenschaftlern kooperiert, die in der Grundlagenforschung top sind. Dieser Prozess bis zum Wissenstransfer bzw. bis zum fertigen Produkt ist vielschichtig und sehr kompliziert und es bedarf großer Fachkompetenz, einen solchen Transferprozess zu moderieren und zu strukturieren. Aus diesem Grund ist es kein Zufall, dass Thierry Langer von der Universität Wien – Pharmazeut und ehemaliger Leiter eines pharmazeutischen Unternehmens – mit der Leitung des sektoralen Wissenstransferzentrums für Life Sciences beauftragt wurde.

Wer kontrolliert bei diesen Wissenstransferprojekten, dass Wissenschaft nicht zum Werkzeug der Wirtschaft wird?

Es muss das Eigeninteresse von Wissenschaftlern bleiben, nicht verlängerte Werkbank zu sein, sondern Kooperationen so zu gestalten, dass sie für die eigene Forschungstätigkeit interessant sind. Indirekt wird das durch die Karrieresysteme an den Universitäten kontrolliert, da Ansehen in der wissenschaftlichen Gemeinschaft nur erwirbt, wer in der Grundlagenforschung gut publiziert. Das wird man auf die Dauer nur schaffen, wenn man Wissenstransfer grundlagenorientiert und nicht einfach im Sinne von Auftragsforschung gestaltet.

Aber wenn man den Wissenstransfer in die Wirtschaft als dritten Aufgabenbereich der Universitäten sieht, heißt das natürlich auch, dass durch solche Fördermaßnahmen Wissenschaftler animiert werden, Themen zu bearbeiten, die sie sonst vielleicht nicht bearbeitet hätten. Eine indirekte Lenkung findet durchaus statt – was aber nicht negativ ist.

Welche Rolle kommt den Studenten in den Wissenstransferprozessen zu?

Die Gruppe der Studierenden - insbesondere Masterstudierende und Dissertanten - ist in jedem Fall auch zu jener Gruppe zu zählen, die von solchen Projekten stark profitieren. Viele kriegen über Diplomarbeiten, die an solche Transferprojekte angehängt sind, auch direkt Kontakt zu künftigen Arbeitgebern und werden oftmals direkt abgeworben. Das habe ich auch bei vielen meiner Dissertanten erlebt. Zudem bekommen Studierende dadurch einen Einblick in Problemstellungen aus Praxis als auch aus der Wissenschaft. Das ist ein Startvorteil für eine wissenschaftliche als auch wirtschaftliche Karriere.

Interview: Ruth Hutsteiner, science.ORF.at

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