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Der Schädel eines ausgegrabenen Skeletts.

Parallelen zwischen Ebola und Pest

Unsicherheit, ob frühere Ausbrüche durch den gleichen Erreger ausgelöst wurden, und soziale Isolierung der Betroffenen - es gibt viele Parallelen zwischen der Pest und der aktuellen Ebola-Epidemie, schreibt der Risikoforscher Christian Gepp in einem Gastbeitrag.

Vergleich 24.10.2014

Westliche Überheblichkeit angesichts des teilweise durch Aberglauben dominierten Umgangs der Bevölkerung mit der Krankheit ist jedenfalls nicht berechtigt, so der BOKU-Forscher. Denn in Europa war das bis vor 300 Jahren auch nicht anders.

Pest und Ebola im historischen Vergleich

Von Christian Gepp

der Risikoforscher Christian Gepp

Privat

Zum Autor:

Christian Gepp studierte Physik und Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Wien und ist als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften der Universität für Bodenkultur tätig. Darüber hinaus ist er Mitglied des Gabriele Possanner Institutes für interdisziplinäre Forschung in Wien.

Literaturhinweise:

Im Dezember 2013 waren in der guineischen Präfektur Guéckédou, die an der Grenze zu Sierra Leone und Liberia liegt, die ersten Fälle von Ebola aufgetreten. Wenig später wurde das Virus bereits in der benachbarte Präfektur Macenta registriert, ehe es in den ersten Monaten des heurigen Jahres abermals zu einem sprunghaften Anstieg der Zahl an Neuinfektionen kam. Daraus sollte sich die bislang größte Ebolaepidemie entwickeln.

Nach Angaben der WHO wurde diese am 23. März 2014 von der raschen Verbreitung der Krankheit informiert und erklärte diese am 8. August zu einem "public health emergency of international concern". Die letzte größere Ebolaepidemie, seit dem ersten Auftreten des Virus im Sudan und dem Kongo 1976, ereignete sich im Jahr 2000, bei der in Uganda 425 Fälle registriert wurden. Eine Studie von Wissenschaftlern der WHO geht davon aus, dass die Anzahl der erkrankten und potentiell erkrankten Personen im November 2014 20.000 erreichen wird.

Seuchen prägten Menschheitsgeschichte

Wirft man einen Blick in die Vergangenheit, so wird rasch deutlich, dass Seuchen seit jeher die Entwicklungsgeschichte des Menschen prägten. Neben dem Auftreten von Pocken, Cholera, Tuberkulose und dem modernen Menschen besser bekannten Krankheiten wie AIDS, Syphilis und Grippe, ist es vor allem das Erscheinen der Pest - deren größte Epidemie in Europa zur Mitte des 14. Jahrhunderts auch als "Schwarzer Tod" bezeichnet wird - das im kulturellen Gedächtnis Aufnahme fand.

Dass es sich beim "Schwarzen Tod" nicht um den ersten Pestausbruch handelt, wurde im Mai 2013 von deutschen und amerikanischen Wissenschaftlern anhand von Skelettüberresten nachgewiesen. Sie konnten zeigen, dass es sich bei dem Erreger der als "Justianischen Pest" bekannten Seuche tatsächlich um das Bakterium Yersinia Pestis handelte.

Schwieriger Rückblick

Ein ähnlicher Nachweis gelang unlängst auch für die Pest des 14. Jahrhunderts, wodurch Spekulationen, dass es sich dabei eigentlich nicht um das 1894 entdeckte Bakterium, sondern um einen Ebola-ähnliches Virus gehandelt hätte, widerlegt werden konnten. Durch das Aufkommen derart unterschiedlicher Forschungsmeinungen wird sichtbar, wie schwierig mitunter eine retrospektivische Betrachtung sein kann.

Schon allein die gleichbedeutende Verwendung der Begriffe von "Pest" oder "Pestilenz" in historischen Quellen, die dabei jegliche Art von infektiöser Krankheit bezeichnen können, macht ex post Diagnosen fehleranfällig. Hier stößt die historische Forschung an ihre Grenzen.

Naturwissenschaftliche Methoden, wie jene der Paläopathologie, setzen an diesem Punkt an und können über die tatsächliche Art der Krankheit weiteren Aufschluss liefern. Diese Unstimmigkeit unter Historikern über die Natur der Epidemie von 1348 ist jedoch bei weitem nicht die einzige Parallele, die sich zwischen der brisanten Situation in Westafrika und dem Auftreten der Pest in Europa zwischen dem 14. und 19. Jahrhundert ziehen lässt.

Krankheit, kein Fluch

Betrachtet man die Situation der Menschen in den betroffenen Ländern Westafrikas und verfolgt die in den internationalen Medien auftauchenden Berichte über das Einrichten von Quarantänezonen, die Separation und die damit einhergehende soziale Ausgrenzung Infizierter und deren Familien, die medizinische Versorgung (die in vielen Fällen unzureichend erscheint) sowie das noch nicht Vorhandensein von geeigneten Medikamenten oder Schutzimpfungen, so werden historische Parallelen deutlich.

Einer im Oktober erschienenen Meldung der WHO zufolge wird in Liberia vermehrt auf Information und Aufklärung der Bevölkerung gesetzt. Dabei soll vor allem Bewusstsein dafür geschaffen werden, worum es sich bei dem Virus eigentlich handelt, nämlich um eine Krankheit und keineswegs um einen unausweichlichen Fluch. Die Vorstellung eines religiösen Strafgerichts in Form einer Seuche, welches die Menschen für ihr als sündhaft wahrgenommenes Verhalten bestraft, lässt sich weit in der europäischen Geschichte zurückverfolgen.

Kometen und "Erdausdünstungen"

Maßnahmen und Anordnungen der herrschenden Obrigkeit finden sich in den erlassenen Verordnungen oftmals durch religiöse Beweggründe legitimiert, wodurch den Seuchen in gewissem Ausmaß auch eine sozialdisziplinierende Bedeutung zukam. Unheil verkündende Sternkonstellationen, Kometen, Erdbeben und als giftig wahrgenommene "Erdausdünstungen" zählten - neben dem Motiv der vom Himmel herab regnenden göttlichen Pfeile - nach frühneuzeitlichem Verständnis zu den Hauptursachen für das Auftreten von Seuchen.

Erst mit der letzten weiträumig auftretenden Pestepidemie in Europa 1713, der nur noch ein Pestausbruch im Jahr 1720 in Marseille folgte, änderte sich die Wahrnehmung geringfügig. Sieht man von sogenannten "Wundermittelchen" und "magischen Amuletten" ab, so stand bis zum Aufkommen der Antibiotika kein Medikament gegen den Pesterreger zur Verfügung.

Als wirkungsvollste Maßnahme wurde die strikte Separation der Infizierten von möglicherweise Infizierten und Gesunden angesehen. Es wurde versucht, dies in allen Bereichen des täglichen Lebens, wie etwa durch die Vermeidung von großen Zusammenkünften, umzusetzen.

Sanitätskordon von 1.900 km Länge

In den Lazaretten wurden eigene Zimmer eingerichtet, in denen potenziell erkrankte Personen eine Quarantäne von bis zu 42 Tagen absolvieren mussten. Das Grenzgebiet zum Osmanischen Reich wurde, um Einreisende und ihre Waren besser kontrollieren zu können, zu einem militärisch bewachtem Sanitätskordon mit Quarantänestationen ausgebaut, der bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts bestand und bei seiner größten Ausdehnung eine Länge von rund 1.900 Killometer umfasste.

Weiters wurden Wochen- und Jahrmärkte eingeschränkt sowie Lebensmittel und Güter, die für die Ausbreitung der Seuche als besonders gefährlich wahrgenommenen wurden, verboten, wodurch es in einigen europäischen Städten zu Engpässen in der Nahrungsmittelversorgung kam.

Gleichzeitig gerieten Berufsgruppen, wie Gerber, Kürschner und Metzger in steigende Armutsgefahr, da sie ihrem Gewerbe nur zum Teil nachkommen konnten oder gänzlich einem Gewerbeverbot unterlagen. Besonders dramatisch blieb die Situation für Familien, in denen es bereits einen Infizierten gegeben hatte. Sie wurden oft aus Angst vor weiteren Infektionen über Tage oder Wochen im Lazarett oder ihren Wohnungen ohne die Möglichkeit ihren Lebensunterhalt zu verdienen eingeschlossen und gerieten dadurch zunehmend in soziale Isolation.

Wie der historische Vergleich vor Augen führt, ist es notwendig, nicht nur Maßnahmen gegen die akute Bedrohung der Krankheit zu setzen, sondern auch mittel- und langfristigen Folgen, wie der sozialen Ausgrenzung Betroffener oder dem Ausschluss betroffener Regionen vom Weltmarkt, vorzubeugen.

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