Küssen sich die beiden mindestens neunmal am Tag, dann gleichen sich ihre Bakterienwelten an. Dies berichtet ein Team um den Biologen Remco Kort von der Universität Amsterdam.
Genetik und Lebensstil
Die Studie:
"Shaping the oral microbiota through intimate kissing" von Remco Kort und Kollegen ist am 17. 11. In der Fachzeitschrift "Microbiome" erschienen.
Ö1 Sendungshinweis:
Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 17.11., 13:55 Uhr.
80 Millionen Bakterien klingt einmal recht viel, nimmt sich aber bescheiden aus gegenüber der Anzahl an Mikroorganismen, die überhaupt in unserem Körper leben: 100 Billionen sind es, wie die niederländischen Forscher berechnet haben. In seiner Gesamtheit nennt sich das Mikrobiom, und dieses Mikrobiom spielt eine wichtige Rolle bei der Verdauung und schützt auch vor Krankheiten. Welche Winzigstlebewesen sich in uns tummeln, ist zum einen genetisch bestimmt, zum anderen hängt es mit unserem Lebensstil zusammen - mit dem Alter, der Ernährung und auch mit den Menschen, die uns umgeben.
Einigen von ihnen erlauben wir den intensiven Kontakt mit unserem Mikrobiom - etwa beim Küssen. Was genau dabei vor sich geht, haben die Forscher nun anhand von 21 Paaren untersucht, die meisten davon heterosexuell. Die Paare wurden zum einen nach ihrem Kussverhalten befragt, zum anderen wurden ihnen Speichelproben aus ihrem Mund entnommen. Resultat: Küssen sich die beiden relativ häufig, dann sieht ihre orale Bakterienwelt sehr ähnlich aus.
Zungenbakterien hängen nicht vom Küssen ab
Um das auch zu quantifizieren, verabreichten die Forscher einem der beiden probiotische Getränke, die bestimmte Bakterien - etwa Lactobacillus - enthielten. Nach einem entsprechend ausgiebigen Kuss verdreifachte sich die Anzahl dieser Bakterien bei dem oder der anderen. Das Team um Remco Kort errechnete, dass in zehn Sekunden rund 80 Millionen Bakterien den Besitzer bzw. die Besitzerin wechseln.
Ähnlichkeiten der Mikrobiome ergeben sich aber nicht nur durch Küssen, sondern auch durch den gemeinsamen Lebensstil eines Paars, etwa das Essen. Dies zeigte sich bei der Analyse der Bakterien auf der Zunge. Auch diese waren bei Paaren viel ähnlicher als bei Menschen, die nichts miteinander zu tun hatten.
Psychologische Nebenerkenntnis der Studie: Frauen und Männer schätzen die Häufigkeit leidenschaftlicher Küsse unterschiedlich ein. Während die Männer im Schnitt angaben, zehnmal am Tag ihre Partnerinnen zu küssen, konnten sich letztere nur an fünf erinnern. Was das wieder bedeutet, wäre Anlass für eine neue Studie.
Lukas Wieselberg, science.ORF.at
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