Überschätzte Differenzen
Die Studie in den "Proceedings of the Royal Society B":
"Diversification practices reduce organic to conventional yield gap" von Lauren C. Ponisio et al., erschienen am 10. Dezember 2014.
Dass ökologischer Anbau für die Natur "gesünder" ist als die klassische Landwirtschaft, gilt als relativ sicher. Die Biodiversität bleibt weitgehend erhalten, die Pestizidbelastung für Tier und Mensch sowie die Bodenerosion sind geringer, und es wird weniger CO2 produziert. Aber: Der Ertrag ist zu gering. Das legen zumindest frühere Studien nahe. Besonders extrem ist der Unterschied den bisherigen Berechnungen zufolge in den Entwicklungsländern, von bis zu 180 Prozent Ertragsdifferenz ging man dabei aus.
Erst vor zwei Jahren hat eine Studie die Schätzungen nach unten korrigiert. Der Studie zufolge unterscheidet sich der Ertrag im weltweiten Durchschnitt nur um 20 bis 25 Prozent, im Detail hängt zudem sehr viel von den Umständen ab, etwa davon, was angebaut wird.
Kein Mangel, sondern Verteilungsproblem
Zu einem ähnlichen Schluss kommt die aktuelle Arbeit der Forscher um Lauren C. Ponisio von der University of California Berkeley. Die errechnete Differenz bei den Erträgen ist demzufolge aber noch geringer. Das Team hat dafür eigenen Angaben zufolge die größte diesbezügliche Datenmenge analysiert, in einer Metastudie von insgesamt 115 Studien. Demnach produziert der organische Landbau nur um 19,2 Prozent geringere Erträge als der konventionelle. Der Blick ins Detail zeigt, dass in manchen Bereichen die Unterschiede noch viel geringer ausfallen oder sogar verschwinden, wie etwa bei Hülsenfrüchten (z. B. Bohnen, Erbsen und Linsen).
Manche Methoden können den Forschern zufolge die Differenz weiter an- oder ausgleichen. Zwei davon seien besonders vielversprechend: Die Nutzung desselben Felds für verschiedene Anbaupflanzen und der Fruchtwechsel, bei dem die Flächen von Jahr zu Jahr unterschiedlich bepflanzt werden. Das soll die Differenz nochmals um neun bzw. acht Prozent verringern, wie die Forscher berechnet haben.
Ihrem wissenschaftlichen Plädoyer für mehr Biolandbau fügen die Forscher noch eine politische Note hinzu. Weltweit leiden zwar 800 Millionen Menschen an Hunger. Dass die Landwirtschaft zu wenig produziert, sei aber schlichtweg falsch, im Gegenteil. Das Problem liege vielmehr an der gerechten Verteilung und am Zugang zu den Gütern. An einem Ausbau des Biolandbaus führt den Forschern zufolge jedenfalls kein Weg vorbei: "Es ist keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Wie können nicht einfach weiter so produzieren als gäbe es kein Morgen, - also, ohne über Böden, Wasser und Biodiversität nachzudenken", wie die Seniorautorin Claire Kremen die derzeitige Situation beschreibt.
Eva Obermüller, science.ORF.at