"Es ist eigentlich überraschend, dass bisher noch niemand daran gedacht hat, eine Substanz, die Leute zum Lachen bringt, für die Behandlung von Patienten einzusetzen, deren Hauptsymptom ist, dass sie traurig sind", sagt der Anästhesist Peter Nagele.
Genau das hat Nagele, der in Salzburg aufgewachsen ist, in Innsbruck und Wien studierte und nun am Department of Anesthesiology and Psychiatry der Washington University School of Medicine in St. Louis arbeitet, getan. Seine Studie zu Lachgas (N2O - Distickstoffmonoxid) hat er gemeinsam mit Kollegen durchgeführt und am Dienstag bei der Jahrestagung des American College of Neuropsychopharmacology in Phoenix präsentiert.
Die Studie:
"Nitrous Oxide for Treatment-Resistant Major Depression: a Proof-of-Concept Trial" von Peter Nagele und Kollegen ist am 8. 12. im Fachjournal "Biological Psychiatry"erschienen.
Ö1 Sendungshinweis:
Über das Thema berichteten auch die Ö1 Journale, 9.12., 18:00 Uhr.
Schnelle Wirkung
Die Mediziner haben in ihrer Studie 20 schwer depressive Patienten behandelt, die auf keine Standardtherapie ansprachen. Sie wurden im Abstand einer Woche zwei Mal therapiert - einmal bekamen sie eine Mischung aus 50 Prozent Sauerstoff und 50 Prozent Lachgas, einmal nur herkömmliche Luft, also ein Placebo. Dabei wussten weder die Wissenschaftler noch die Patienten welche Gasmischung verabreicht wurde.
Sieben der 20 Patienten zeigten einen Tag nach der Behandlung mit Lachgas eine leichte Verbesserung ihrer Symptome wie Traurigkeit, Schuldgefühle, Selbstmordgedanken, Angst und Schlaflosigkeit, bei weiteren sieben waren die Verbesserungen deutlich. Bei drei Patienten waren die Symptome völlig verschwunden.
Dabei stellte sich bei den meisten davon die Verbesserung bereits zwei Stunden nach der Behandlung ein - während herkömmliche orale Antidepressiva üblicherweise mehrere Wochen benötigen, bevor Patienten darauf ansprechen. Die Placebo-Behandlung hatte dagegen signifikant geringere positive Effekte.
"Kaum Nebenwirkungen"
Bei der Studie ging es nicht um langfristige Auswirkungen auf Depressionen, wie Nagele im Gespräch mit Ö1 erklärte. Im Fokus sei die Wirkung des Lachgases in den ersten 24 Stunden nach der Therapie gestanden. "Bei einigen Patienten haben die positiven Effekte aber mindestens eine Woche angehalten", so Nagele.
Der Forscher hat bereits 2004 nachgewiesen, dass Lachgas die sogenannten NMDA-Rezeptoren (N-Methyl-Aspartat-Rezeptoren) hemmt. "Nachdem dann gezeigt wurde, dass das Ketamin - ebenfalls ein NMDA-Rezeptor-Hemmer - eine schnelle antidepressive Wirkung bei therapieresistenten Depressionspatienten hat, wollten wir es auch mit dem ähnlich wirkenden Lachgas versuchen", sagte Nagele gegenüber der APA.
Denn N2O hat entscheidende Vorteile: Während Ketamin stark halluzinogen ist, hat Lachgas kaum Nebenwirkungen, nur bei 15 Prozent der damit behandelten Patienten trat kurzfristig Übelkeit auf. "Die sedierende Wirkung von N2O ist innerhalb weniger Minuten vollkommen vorbei, das Gas verlässt innerhalb dieser Zeit völlig den Körper", so Nagele.
Versuche sollen ausgeweitet werden
Die Ergebnisse müssten noch reproduziert werden, aber sie seien vielversprechend, betonte der Wissenschaftler.
Immerhin spricht rund ein Drittel der depressiven Patienten nicht auf die derzeitigen Therapien an. Speziell die rasche Wirkung von Lachgas könnte bei Patienten hilfreich sein, die selbstmordgefährdet sind oder aus anderen Gründen schnell Hilfe benötigen. Auch zur Überbrückung der Zeit, bis herkömmliche Therapien greifen, könnte N2O eingesetzt werden.
Die Wissenschaftler wollen jedenfalls die Untersuchungen auf eine größere Patientenzahl ausweiten. Auch die Effekte unterschiedlicher N2O-Konzentrationen sollen analysiert werden.
science.ORF.at/APA
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