Gute Nachrichten für Astronauten: Wissenschaftler sind einem vielversprechenden Medikament gegen die Strahlenkrankheit auf der Spur. Aber nicht nur für jene, die sich im Weltraum herumtreiben, ist das eine verheißungsvolle Ankündigung. Auch für Patienten, die einer Strahlentherapie ausgesetzt sind oder für Opfer von nuklearen Unfällen könnte diese Entdeckung wesentliche Verbesserungen ihres gesundheitlichen Zustands bringen.
Die Studie:
"Combined Mitigation of the Gastrointestinal and Hematopoietic Acute Radiation Syndromes by an LPA2 Receptor-Specific Nonlipid Agonist" von Gàbor Tigyi und Kollegen ist am 23. Jänner 2015 im Fachjournal "Cell" erschienen.
Bisher gab es keinen Wirkstoff, der im Falle einer zu hohen Strahlenbelastung im Nachhinein an die Patienten verabreicht werden konnte. Das hat zuletzt das Erdbeben und der folgende Atomunfall in Fukushima im Jahr 2011 deutlich gemacht.
"Das 21. Jahrhundert hat gezeigt, dass sich die Menschen mit unvorhergesehenen Herausforderungen auseinandersetzen müssen - dazu gehört auch die Möglichkeit von nuklearem Terror", so Studienautor Gábor Tigyi vom Health Science Center der University of Tenessee (UTHSC) in einer Aussendung.
Strahlung schädigt Zellen
Durch Strahlungsunfälle oder nukleare Explosionen sind Menschen einer hohen Dosis von ionisierender Strahlung ausgesetzt. Sie sorgt dafür, dass Zellen im Körper absterben oder die DNA beschädigt wird und Organe dadurch in Mitleidenschaft gezogen werden. Zudem versagt das Verdauungssystem, und das Knochenmark bildet nicht mehr genug Blutkörperchen, dadurch bricht das Immunsystem zusammen.
Wissenschaftler versuchen schon seit Langem Behandlungsmethoden zu finden. Allerdings kamen dabei nur bereits bekannte Medikamente wie etwa Antibiotika zum Einsatz. Oder Medikamenten, die nur dann wirksam sind, wenn sie eingenommen wurden, bevor der Körper der Strahlung ausgesetzt ist.
LPA-ähnlicher Wirkstoff gefunden
Bereits in früheren Studien haben Tigyi und Kollegen gezeigt, dass Lysophosphatidsäure (LPA) - die normalerweise während der Gerinnung von Blut gebildet wird - eine zentrale Bedeutung für den von ihnen entwickelten Wirkstoff hat. LPA aktiviert den LPA2-Rezeptor - einen biologischen Rezeptor in der Zellmembran, der Signale in das Zellinnere weiterleitet - um die Zellen vor einer Strahlungsschädigung zu schützen.
Bei Säugetieren und Menschen ist der LPA2-Rezeptor vor allem in jenen Zellen, die besonders sensibel auf Strahlung reagieren, in großem Ausmaß vorhanden. Nun ist es den Forschern gelungen, einen LPA-ähnlichen Wirkstoff, mit Namen DBIBB, herzustellen, der sehr spezifisch und potent diesen LPA2-Rezeptor aktiviert und somit die Zellen widerstandsfähiger macht.
Getestet wurde dieser Wirkstoff einerseits an Zellmaterial von Mäusen und Menschen. Dabei hat sich gezeigt, dass durch das LPA-ähnliche Mittel das Überleben, etwa von Blut- oder Darmzellen, gefördert wurde. Andererseits wurde der Wirkstoff auch an lebenden Mäusen getestet, die zuvor einer Strahlenbelastung ausgesetzt wurden.
93 Prozent der verstrahlten Mäuse überleben
Dieser Test lieferte beachtliche Ergebnisse: 93 Prozent der Mäuse, die drei Tage nach der Verstrahlung mit DBIBB behandelt wurden, waren 30 Tage später immer noch am Leben. Bei Mäusen, die unbehandelt blieben, waren es hingegen nur noch 20 Prozent. Das lässt die Forscher nun hoffen, tatsächlich einen Wirkstoff gefunden zu haben, der auch bei einer Verabreichung Tage nach einem Strahlenunfall Wirkung zeigt.
Nachdem er bisher nur an Mäusen getestet wurde, geht die Entwicklung des Wirkstoffs nun in die nächste Runde. Im Biotechnologieunternehmen "RxBio Inc.", das von Tigyi und Kollegen vom UTHSC gegründet wurde, wird der neue Wirkstoff nun weiter erforscht. "Der Menschheit steht möglicherweise bald eine Verteidigung gegen unerwünschte Strahlenbelastung zur Verfügung", so Studienautor Tigyi.
Theresa Aigner, science.ORF.at