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Bakterien unter dem Mikroskop

Unterschätzt: Krankenhauskeim in Österreich

Pro Jahr dürften in Österreich rund 700 Personen durch den Krankenhauskeim "Clostridium difficile" sterben. Das sind weit mehr, als durch das - freiwillige - Meldesystem ermittelt wurden. Jetzt werden Rufe nach entschlosseneren Maßnahmen laut.

Medizin 23.01.2015

In den Österreichischen Krankenhäusern gibt es offenbar ein bis dato unterschätztes Problem mit dem Darmbakterium "Clostridium difficile". Es gehört zu den häufigsten "Krankenhauskeimen" - also Verursachern von Infektionen, die sich Patienten erst während eines Krankenhausaufenthalts zuziehen. Dass die Krankenhäuser das Gefährdungspotenzial unterschätzen und sich nicht ausreichend für die Bekämpfung dieses Krankenhauskeims engagieren, wurde am Freitag bei einer Pressekonferenz in Wien kritisiert.

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Für gesunde Menschen ist "Clostridium difficile" ein harmloses Darmbakterium. Ist die gesunde Darmflora aber geschwächt, insbesondere durch die Einnahme von Antibiotika - was bei Krankenhauspatienten häufig der Fall ist - vermehrt sich der Keim im Darm und produziert Gifte, die zu einer Durchfallerkrankung oder auch schweren Darmentzündungen führen können. Dabei handelt es sich um einen leichten Verlauf der Krankheit. Bei einem schweren Verlauf besteht akute Lebensgefahr.

Im Krankenhaus wird der Keim insbesondere durch seine Sporenbildung gefährlich. Einerseits erleichtert das weitere Ansteckungen, andererseits haben herkömmliche Desinfektionsmaßnahmen dann keine Wirkung mehr. Hinzu kommt die Resistenzproblematik: Dieser Erreger ist gegen weitverbreitete Antibiotika, die zu seiner Bekämpfung eingesetzt werden könnten, unempfindlich.

Gefahr wird unterschätzt

Um die Gefahr zu bekämpfen, müssten die Krankenhäuser diese zunächst einmal erkennen. Doch sie wurde bisher offenbar unterschätzt. Denn eine umfassende Meldepflicht für solche Fälle gibt es nicht.

Im Jahr 2010 wurden 110 Erkrankungen registriert, davon waren 15 Todesfälle. 2013 waren es dann 241, mit 84 Todesfällen. Laut den vorläufigen Daten von 2014 gab es 172 schwere Erkrankungen, von denen 27 letal verliefen. Doch: "Die Meldezahlen sind nur die Spitze des Eisberges", sagt Fanz Allerberger, von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES).

Hochrechnungen: 700 Todesfälle pro Jahr

Ein Indiz dafür findet sich in den Statistiken des österreichischen Krankenhausfinanzierungssystems: Dort sind für das Jahr 2013 exakt 3.243 Fälle einer Infektion mit "Clostridium difficile" verzeichnet, davon waren 302 tödlich. Darüber hinaus kommen laut Allerberger Krankenhausstudien auf 7.000 Fälle pro Jahr. In Verbindung mit einer Sterblichkeitsrate von zehn Prozent müsste man dementsprechend von 700 Todesfällen ausgehen. Und das sind doch bei weitem mehr, als durch das Meldesystem bekannt wurden. Das könnte eben damit zu tun haben, dass eine Teilnahme nicht verpflichtend ist.

Nur elf von rund 200 österreichischen Krankenhäusern beteiligten sich derzeit freiwillig an dem bestehenden Melde- und Überwachungssystem. Allerberger ist allerdings optimistisch, dass neue Hygienestandards noch im Jahr 2015 dazu führen könnten, dass die Teilnahme verbindlich wird. Ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung wäre laut Allerberger, dass, sobald eine Durchfallerkrankung vorliegt, gezielt nach dem Bakterium "Clostridium difficile" gesucht wird - derzeit würde ein Viertel der Fälle nicht richtig diagnostiziert, so Allerberger.

Optimierter Antibiotikaeinsatz nötig

Ein zentrales Standbein bei der Zurückdrängung der Keime wäre auch eine möglichst optimierte Antibiotikaverwendung. Die Bakterien beginnen nämlich besonders dann sich zu vermehreren, wenn im Darm die "gesunde" Flora durch Medikamente so stark geschädigt wird, dass Bakterien eine Nische vorfinden. Richtiger Einsatz, richtige Dosierung und passende Therapiedauer bei Antibiotikabehandlung seien ausschlaggebend, so Allerberger.

science.ORF.at/APA

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