Wichtig für den Zusammenhang ist das als "Glücksbotenstoff" bekannte Serotonin, das im Gehirn unseren Gefühlshaushalt mitbestimmt. In einer aktuellen Studie zeigte ein Forscherteam um Rupert Lanzenberger von der Meduni Wien, dass Testosteron die Anzahl von Serotonintransportern (SERT) im menschlichen Gehirn erhöht. Diese Proteine regeln die Konzentration von Serotonin und sind auch der Zielort von Antidepressiva.
Die Studie:
"High-dose testosterone treatment increases serotonin transporter binding in transgender people" von Georg Kranz und Kollegen ist vor Kurzem in der Fachzeitschrift "Biological Psychiatry" erschienen.
Hormontherapie mit verschiedenen Resultaten
Als Modell für die Untersuchung der Testosteronwirkung wählten die Forscher die Hormontherapie von Transsexuellen. "Transsexuelle sind Menschen, die das Gefühl haben, im falschen Körper zu leben und deshalb eine hoch dosierte gegengeschlechtliche Hormontherapie wünschen, um ihr Erscheinungsbild an das jeweils andere Geschlecht anzupassen", erklärt Erstautor Georg Kranz in einer Aussendung. "Genetische Frauen erhalten Testosteron, genetische Männer Östradiol sowie Medikamente zur Unterdrückung von Testosteron."
Mithilfe eines bildgebenden Verfahrens (PET) konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass sich die Anzahl der SERTS bei genetischen Frauen, die Männer werden wollen, bereits nach vier Wochen Testosterontherapie deutlich erhöht. Ferner hänge die Menge an Testosteron im Blut und die SERT-Dichte zusammen. Bei genetischen Männern, die Frauen werden wollen, war es genau umgekehrt: Bei ihnen reduzierten sich die SERTS nach der Östradioltherapie.
Testosteron als "Antidepressivum"
Zwar haben die Forscher in der aktuellen Studie nicht direkt den Gehalt von Serotonin gemessen. Der Schluss "mehr SERT, mehr Serotonin und damit mehr Glücksgefühle", ist aber zulässig, wie Siegfried Kasper, Leiter der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der MedUni Wien, gegenüber science.ORF.at ausführte. Damit ist auch klar, dass genetische Männer, die zu Frauen werden wollen, eine "biologisch ungünstigere Ausgangsposition" haben. "Wenn sie im Zuge der Umwandlung depressive Episoden haben, sollten sie sich nicht scheuen, psychiatrische Hilfe in Anspruch zu nehmen", sagt Kaspar.
Das entscheidende an der neuen Studie sei es, dass weltweit erstmals bei Menschen gezeigt wurde, wie SERTs und Geschlechtshormone zusammenhängen. In der Praxis könnte das dazu führen, dass depressiven Männer Testosteron als "Antidepressivum" empfohlen wird.
"Die Studie hat gezeigt, dass Testosteron die möglichen Bindungsstellen für häufig verschriebene Antidepressiva im Gehirn erhöht, und erlaubt damit wesentliche Einblicke in die Wirkung von Geschlechtshormonen auf das menschliche Gehirn", wurde Siegfried Kasper, Leiter der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der MedUni Wien, zitiert.
Lukas Wieselberg, science.ORF.at
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