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Imam

Integrierte Imame, integrierte Gläubige?

Was für einen Christen der Pfarrer ist für einen Muslim der Imam. Die religiösen Autoritäten ihres jeweiligen Vereins verhalten sich laut einer soziologischen Studie in Österreich recht unterschiedlich. Sie könnten jedoch generell mehr zur Integration der Gläubigen beitragen, wenn ihr rechtlicher Status besser bzw. gesicherter wäre.

Soziologie 28.01.2015

Unsichtbare Imame

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Für Menschen, die nicht der islamischen Glaubensgemeinschaft angehören, sind ihre religiösen Anführer hierzulande weitgehend unsichtbar, und wenig ist bekannt über ihre Alltagsrealität. Dabei gibt es etwa 300 von ihnen, allein oder zu zweit stehen sie einem der ca. 270 Moscheenvereine vor. Die meisten stammen aus dem Ausland und wurden dort auch religiös ausgebildet. Angestellt werden sie über die Obmänner der Vereine, die Entscheidung treffen die jeweiligen Dachverbände, die in der Regel einen ethnischen Hintergrund haben. Der größte derartige Dachverband in Österreich ist die türkische ATIB, die Türkisch-Islamische Union für kulturelle und soziale Zusammenarbeit.

Wie Jonas Kolb vom Institut für Islamische Studien der Universität Wien gegenüber science.ORF.at erklärt, besitzt der Imam innerhalb seiner Gemeinschaft eine sehr große Autorität und berät deren Mitglieder in Glaubensfragen, z.B. bei den rituellen Gebeten und beim Fasten, aber auch in allen anderen Bereichen des Lebens: Wie erziehe ich meine Kinder? Auf was muss ich achten? In welche Schule soll ich sie schicken? etc.

Unterschiedliches Rollenverständnis

In ihrer dreijährigen Forschungsarbeit haben Ednan Aslan, Evrim Ersan Akkilic und Jonas Kolb die Situation der Imame in Österreich nun genauer beleuchtet: Welche Rolle sie in der Glaubensgemeinschaft spielen, ob und wie viel sie zur Integration beitragen? 43 in ganz Österreich verteilte Moscheenvereine von unterschiedlichen Trägerverbänden - unter anderem türkischer, arabischer, bosnischer oder pakistanischer Herkunft - wurden für die empirische Erhebung herangezogen. Mit den ansässigen Imamen wurden dafür Leitfadeninterviews geführt. Am Ende wurde eine Typologie von vier verschiedenen Gruppen erstellt, die sich nicht in ihrer Herkunft, sondern durch ihre Praxis im Verein unterscheiden.

Der erste Typ wurde als "Imam mit islah-Mission" bezeichnet. Vereinfacht ausgedrückt könnte man sie als besonders religiös beschreiben. Laut Kolb betrachten sie manche der österreichischen Moscheenvereine ein bisschen von oben herab. Sie halten sie für religiös uninformiert und wollen sie auf den richtigen Weg bringen. Sie seien zwar selbst nicht radikal und extrem, aber Kolb kann sich schon vorstellen, dass es hier einen gewissen Nährboden für Radikalisierung geben könnte.

Auf der anderen Seite gebe es aber die ganz gegenteilige Position, den sogenannten "Brückenbauer"-Typ. Dieser versucht nicht nur verbindend innerhalb der Moscheegemeinde zu agieren, sondern kümmert sich auch außerhalb aktiv um die Integration ihrer Gemeindemitglieder. Er hält sie etwa an, Deutsch zu lernen. Er öffnet sogar die Türen für andere Institutionen, um im Rahmen von Veranstaltungen den Dialog mit anderen Glaubensgemeinschaften und der profanen Außenwelt zu befördern.

Der dritte Typus versteht sich als "Hüter der religiösen Identität und Tradition". Für ihn ist die Moschee ein Hort der Identität, in dem es das traditionelle Religionsverständnis zu bewahren und weiterzugeben gilt.

Den letzten Typus bezeichnen die Forscher als "Imam mit begrenztem Handlungsraum", der - wie der Name schon sagt -, aus unterschiedlichen Gründen wenig Einfluss auf die Integration ihrer Gemeindemitglieder hat.

Nicht untersucht wurden im Rahmen der Studie unabhängige Moscheevereine, die ohne Dachverband existieren. An die kommt man laut Kolb schwer heran und man weiß auch nicht wirklich, was dort passiert.

Haupthindernis Aufenthaltsgenehmigung

Unabhängig von der jeweiligen Rolle in ihrer Gemeinschaft sind die Imame in der Öffentlichkeit kaum sichtbar. Das hat laut Kolb mehrere Gründe. Einer davon: Eigentlich verstehen sich die Vereine als Sprachrohr in Richtung Gesellschaft. Aber die mangelnde Präsenz hat auch mit der Lebensrealität der Imame selbst zu tun. "Sie sind oft überfordert hier, denn in vielen Fällen sind sie selbst Migranten, können weder die Sprache noch haben sie Lebenserfahrungen in Österreich", so Kolb.

Und aufgrund der rechtlichen Lage sei die Motivation gering, das zu ändern. Denn die Aufenthaltserlaubnis für Imame wird als "Sonderfall unselbstständiger Erwerbstätigkeit" immer nur für ein Jahr ausgestellt. D.h., sie müssen sie jedes Jahr verlängern. Genehmigt wird dies allerdings nur auf Basis eines gültigen Arbeitsvertrags. In dieser Hinsicht sind die Imame von ihren Dachverbänden abhängig. Die Perspektive in Österreich ist also weder langfristig noch vielversprechend. Für die Autoren ist das eines der Haupthindernisse für Imame, ihre sozialen Aufgaben zu erfüllen.

Umgekehrt heißt das: Wäre die rechtliche Situation der Imame in Österreich besser, könnten sie auch mehr zur Integration der Gläubigen beitragen, davon zeigt sich Kolb im Gespräch mit science.ORF.at überzeugt. Zudem wäre es sinnvoll, wenn sie auch in Österreich ausgebildet werden könnten, nicht nur wegen der Sprache, sondern damit sie schon früher Bescheid wissen, was sie in Österreich sowie in den hiesigen Vereinen erwartet.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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