Bei der Studie handelt es sich um eine Hochrechnung, nicht um ein tatsächliches Sammeln und Wiegen. Die aktuelle Schätzung liegt deutlich höher als bisherige: Zuletzt hatte eine US-Umweltorganisation ein Zwanzigstel davon an Plastik im Meer vermutet. Sie hatte die sichtbaren Teilchen in Wasserproben analysiert.
Die Studie:
"Plastic waste inputs from land into the ocean" von Jenna R. Jambeck und Kollegen ist am 12. 2. 2015 in "Science" erschienen.
Verbreitungsweg nicht ganz klar
Rückstände von Plastik finden sich in allen Meeren, vom Nordpol bis zum Südpol, in Küstennähe und auf offenem Meer. Erhebliche Mengen sammeln sich als gigantische Müllstrudel in großen Strömungswirbeln der Ozeane. Reste finden sich aber auch auf dem Meeresboden und in den Sedimenten.
Wie viel Plastik sich genau in den Weltmeeren befindet, ist bisher nicht bekannt. Und auch die Frage nach der Herkunft ist nur unzureichend beantwortet. Experten gehen allerdings davon aus, dass der Großteil des Plastikmülls vom Land eingetragen wird, über Flüsse oder mit dem Wind zum Beispiel.
Um wie viel Plastik es dabei geht, versuchte nun das Forscherteam um Jenna Jambeck von der University of Georgia im US-amerikanischen Athens genauer zu beziffern.
Sie ermittelten unter anderem, wie viel Müll in Küstenländern produziert wird, wie hoch der Anteil an Plastikmüll ist und wie viel davon unsachgemäß oder gar nicht entsorgt wird, also zum Beispiel in offenen Deponien gesammelt oder schlichtweg in die Umwelt geworfen wird. Anhand dieser Daten errechneten die Wissenschaftler, wie viel Plastikmüll von Land her in die Meere gelangt.
Wie die Hochrechnung zustande kam
Insgesamt wurden in den untersuchten Ländern im Jahr 2010 275 Millionen Tonnen Plastikmüll produziert, berichten die Forscher. 99,5 Millionen Tonnen davon entfielen auf den Bevölkerungsanteil, der in maximal 50 Kilometer Entfernung von der Küste lebt.
Von dort stamme vermutlich der größte Teil des Plastikabfalls in den Meeren. 31,9 Millionen Tonnen davon seien wiederum unsachgemäß entsorgt, was schließlich zu einem errechneten Eintrag von 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen Plastik führt.

Timothy Townsend
"Unsere Schätzung von (im Mittel) acht Millionen Tonnen Plastikabfällen im Meer für das Jahr 2010 entspricht fünf Supermarktsackerln voller Plastik an jedem Fuß Küstenlinie der Welt", erläutert Jambeck. Ein Fuß entspricht 30 Zentimetern. Der Eintrag steige jedes Jahr, so dass die Schätzungen für das Jahr 2015 bereits bei ungefähr 9,1 Millionen Tonnen Plastikabfall (im Mittel) liegen.
Die 20 Länder mit der höchsten Verschmutzungsquote seien für 83 Prozent aller unsachgemäß behandelten Plastikabfälle im Jahr 2010 verantwortlich, berichten die Wissenschaftler weiter. Die Liste werde angeführt von China, Indonesien und den Philippinen, die USA belegten den 20. Platz. Fasse man alle Küstenländer der Europäischen Union zusammen, belegten diese den 18. Platz.
Großteil liegt im Meeresboden
Ihre Schätzungen liegen deutlich über den bisher gemachten Angaben, etwa zu der Menge von Plastik in den Strömungswirbeln. "Die Arbeit gibt uns eine Idee davon, wie viel wir nicht sehen, wie viel wir noch in den Ozeanen aufspüren müssen, um auf die ermittelte Summe zu kommen", erläutert Studienleiterin Kara Lavender Law von der Sea Education Association in Woods Hole (US-Staat Massachusetts).
"Bisher erfassen wir hauptsächlich die Menge des umher treibenden Plastikmülls. Aber eine Menge Plastik findet sich auch auf dem Meeresboden und an den Stränden weltweit."

Malin Jacob
Tatsächlich hatten Forscher um Lucy Woodall vom The National History Museum in London (Großbritannien) im vergangenen Jahr gezeigt, dass sich ein Großteil des Plastikmülls in den Sedimenten ansammelt. Dies würde möglicherweise die Diskrepanz zwischen der vermutlich eingetragenen Menge an Plastik und den tatsächlich gefundenen Rückständen erklären. Die Forscher hatten ihre Untersuchung damals im Fachblatt "Open Science" der britischen Royal Society vorgestellt.
Plastik ist extrem beständig und kann über Jahrzehnte, teils wohl über Jahrhunderte in der Umwelt verbleiben. Im Laufe der Zeit werden größere Plastikteile stark zerkleinert, sie sinken dann von der Oberfläche in die Tiefe der Meere ab. Vor allem über die biologischen Auswirkungen dieser Mikroteilchen ist bisher nur wenig bekannt. Nach Angaben des WWF finden sie sich in vielen marinen Organismen, in Muscheln, Fischen oder auch Fischlarven.
Nach Ansicht der Wissenschaftler gibt es zwei Möglichkeiten, die Verschmutzung der Meere aufzuhalten: die Entsorgung verbessern und den Plastikverbrauch einschränken.
science.ORF.at/APA/dpa
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