Das perfekt erhaltene, in Myanmar gefundene Bernsteinfossil ist rund 100 Millionen Jahre alt. Zu dieser Zeit dominierten Dinosaurier und Nadelwälder die Erdoberfläche. Auf der Spitze des eingeschlossenen Grashalms ragt ein Sporn. Dieser entpuppte sich als eine Urform des Mutterkorns (Claviceps purpurea) - ein parasitärer Pilz, aus dem der Chemiker Albert Hofmann Mitte des 20. Jahrhunderts die psychoaktive Droge LSD (Lysergsäurediethylamid) synthetisierte.
Forscher der Oregon State University analysierten das Bernsteinfossil und kamen zu interessanten Ergebnissen und kuriosen Vermutungen. Eine Studie dazu soll im Laufe des Jahres in der Fachzeitschrift "Palaeodiversity" erscheinen.
Zugedröhnte Sauropoden?
Der Paläontologe George Poinar ist sicher, dass pflanzenfressende Sauropoden das urzeitliche Gras gefressen haben und somit auch den potenziell berauschenden Parasiten. Gab es also wirklich "zugedröhnte" Dinosaurier? "Wir können nicht genau sagen, welchen Effekt der Pilz auf die Sauropoden hatte", so der Wissenschaftler.
Dass die Tiere tatsächlich davon berauscht wurden, will er zumindest nicht ausschließen, da beim heutigen Mutterkorn viele Tiere Nebenwirkungen vom Verzehr bekommen. Vorausgesetzt, es werden entsprechende Mengen des Pilzes eingenommen.
Abgesehen von dieser skurrilen Vorstellung sind die Forscher beeindruckt davon, dass bereits die ersten Gräser von dem Mutterkorn-ähnlichen Parasiten befallen waren. "Das ist eine wichtige Entdeckung, die uns hilft, die Entwicklung von Gräsern zu verstehen. Besonders jenen Gräsern, die zur menschlichen Ernährung gehören, wie Mais, Reis oder Weizen", erklärt Poinar.
Ein Pilz mit Geschichte
Das Mutterkorn und seine toxische Wirkung bei Menschen sind bereits seit langem bekannt und dokumentiert. Bereits vor 4.000 Jahren wurden berauschende Getränke daraus gebraut. Andererseits stellte befallenes Getreide und daraus hergestellte Nahrung bis vor einigen Jahrhunderten eine ernste Gesundheitsgefahr dar. Der Verzehr des Pilzes kann zu Halluzinationen, Krämpfen, Durchblutungsstörungen und im schlimmsten Fall bis zum Tod führen.
In der modernen Medizin spielt der Parasit eine nicht unbedeutende Rolle. Einige Inhaltsstoffe können zu Medikamenten verarbeitet werden. Zum Beispiel Ergometrin, das lange als Wehen einleitendes Mittel verwendet wurde.