Der Biometeorologe Georg Wohlfahrt von der Universität Innsbruck war Teil des internationalen Forscherteams, das die neue Formel in einer Studie präsentiert. Die Formel sei wichtig, um die Bioproduktivität von Pflanzen weltweit genau zu bestimmen und die Auswirkungen des Klimawandels besser zu verstehen.
Lediglich drei Werte benötigt die neue Gleichung, um zum Ergebnis der sogenannten Bruttoprimärproduktion (BPP) zu gelangen. Diese beschreibt die jährliche "Menge an CO2, die Pflanzen im Rahmen der Photosynthese aus der Luft aufnehmen", erklärt Georg Wohlfahrt gegenüber science.ORF.at. Ein Teil des aufgenommenen Kohlendioxids gelange jedoch kurz nach Aufnahme in die Pflanze wieder zurück in die Umwelt.
Die Studie:
"Joint control of terrestrial gross primary productivity by plant phenology and physiology" von Jianyang Xia et al., erschienen in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" am 16. 02. 2015 (sobald online).
Besteht aus nur drei Werten
Die Bruttoprimärproduktion wird in Gramm Kohlenstoff pro Quadratmeter pro Jahr angegeben. Errechnet wird die Menge aus dem BPP-Maximum einer Pflanze, multipliziert mit der Länge ihrer Vegetationsperiode in Tagen, mal einem regionalen Faktor, der durch das jeweilig vorherrschende Klima bestimmt wird. In gemäßigten Breiten mit ausgeprägten Jahreszeiten beträgt dieser regionale Faktor in der Regel 0,62. Der Faktor ergibt sich aus den verkürzten Vegetationsperioden, die in diesen Breiten herrschen.

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Dass die Formel aber auch in einer klimatischen Region nicht immer gleich funktioniert, erklärt Wohlfahrt anhand eines Beispiels: Im Zuge der Studie wurden unter anderem Messungen auf einer Mähwiese im Tiroler Stubaital vorgenommen. "Immer wenn die Wiese gemäht wurde, ging die BPP zurück, da nach dem Mähen fast keine Pflanzenmasse mehr zurückgeblieben ist. Deshalb funktioniert die Formel hier nicht so gut wie im idealisierten Fall", so der Wissenschaftler. Ein idealer Messstandort wäre laut Wohlfahrt zum Beispiel ein Wald, "in dem im Frühjahr die Blätter austreiben, im Sommer ein Maximum erreicht wird und es im Herbst dann wieder retour geht."
Den Vorteil der neuen Formel sieht Georg Wohlfahrt darin, dass sie im Gegensatz zu den herkömmlichen, sehr komplexen Modellen sehr leicht zugänglich ist. Die traditionellen Formeln hätten den Nachteil, dass zwischen unterschiedliche Vegetationsformen nicht genau genug differenziert werde. So werden etwa alle Grasländer und landwirtschaftlichen Flächen in einer Kategorie zusammengefasst. Der Biometeorologe sieht das neue Modell jedoch nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zu den vorhandenen Modellen.
Szenarien und Rückschlüsse sollen einfacher werden
Mit der Formel lassen sich also regionale Unterschiede in der pflanzlichen BPP erklären und beispielsweise auch Berechnungen anstellen, wie die Vegetation nach Klimaextremen und Störungen reagiert. So konnte etwa die Regeneration nach Hitze- und Trockenheitswellen in Europa 2003 und nach einem Waldbrand in South Dakota 2000 beschrieben werden.
Schließlich lassen sich aus der Formel Konsequenzen des Klimawandels und Szenarien relativ einfach ableiten, so Wohlfahrt. Steigen nämlich die Temperaturen im Zuge des Klimawandels, wird zwar die Vegetations- und Aufnahmeperiode länger. "Es ist ein Maß, das sensibel auf klimatische Veränderungen reagiert", erklärt der Wissenschaftler. Das BPP-Maximum einer Pflanze kann hingegen durch hohe sommerliche Trockenheit niedriger sein. Somit sinkt in der Folge auch die gesamte BPP. Langfristige Beobachtungen der BPP-Werte von Ökosystemen lassen mögliche Szenarien und Rückschlüsse auf das Ausmaß des Klimawandels zu.
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