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Biene und Waben

Pestizidverbot: Bienensterben geht weiter

Um das Bienensterben einzudämmen, hat die EU vor zwei Jahren einige bienenschädliche Pflanzenschutzmittel verboten. Das Teilverbot zeigt nun Teilerfolge, dennoch geht das Tiersterben weiter. Bienenforscher hoffen deshalb, dass das Verbot verlängert wird und die Schutzmaßnahmen ausgedehnt werden.

Bienen 20.03.2015

Forscher und Imker standen lange vor einem Rätsel. Mittlerweile ist klar, dass das Phänomen des "Bienensterbens" viele Ursachen hat: Milben, Viren und andere Parasiten sind die natürliche Feinde der Biene. Doch auch Pestizide spielen eine wesentliche Rolle.

Unter Verdacht geriet besonders die Pflanzenschutzmittelgruppe der Neonicotinoide. In Studien wies man die negativen Auswirkungen der synthetischen, nikotinbasierten Stoffe nach, unterstrich aber auch die anderen Faktoren, die das Bienensterben begünstigen. Das bestätigt nun eine Studie der University of Maryland, die diese Woche erschienen ist.

Varroamilbe

Varroa destructor gilt als der bedeutsamste Bienenschädling weltweit und spielt eine große Rolle beim in den letzten Jahren beobachteten Bienensterben.

Ö1 Sendungshinweis:

Darüber berichtet auch Wissen Aktuell am 20.3. um 13:55.

Neonicotinoide beeinträchtigen das Nerven- und Immunsystem der Bienen. Das führt mitunter dazu, dass ihre Lernfähigkeit und ihr Orientierungssinn leiden und die Tiere anfälliger für Parasiten werden - unter anderem für die von Imkern gefürchtete Varroamilbe.

Aus diesem Grund wurde im Jahr 2013 von der europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA und der EU-Kommission vorsorglich ein zweijähriges Teilverbot für Neonicotinoide durchgesetzt. Seit damals sind die Wirkstoffe Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam nicht mehr erlaubt. Die weiterhin erlaubten Substanzen derselben Gruppe unterliegen in ihrer Verwendung pflanzenspezifischen, zeitlichen und behandlungstechnischen Beschränkungen. In manchen Ländern werden diese Verbote durch Zusatzauflagen ergänzt.

Vorwiegend "schlechte Nachrichten"

Fipronil

Fipronil wird im Kartoffelanbau gegen den Drahtwurm eingesetzt und ist in vielen EU-Ländern verboten - letztes Jahr auch in Österreich.

Heuer gibt es eine Notverordnung:
von 1. Februar bis 31. Mai 2015 darf das Mittel unter gewissen Auflagen von Landwirten verwendet werden. Es ist ein Insektizid, das auch bei Bienen in geringen Dosen schnell tödlich wirkt.

Die "gute Nachricht" ist laut Christian Boigenzahn, Obmann des Vereins "Biene Österreich" und Lektor an der BOKU Wien, dass seit dem Teilverbot einige Besserungen in Österreich beobachtet werden konnten: In Proben sind tatsächlich kaum mehr Rückstände von den verbotenen Neonicotinoiden gefunden worden.

Allerdings entdeckte man bei Verdachtsfällen nunmehr Rückstände des Pflanzenschutzmittels Fipronil (kein Neonicotinoid), "wobei wir nicht wissen, woher das kommt", erklärt Boigenzahn gegenüber science.ORF.at. Paradox: Das Mittel war im vergangenen Jahr in Österreich für den landwirtschaftlichen Gebrauch nicht erlaubt und ist auch in vielen Ländern der EU verboten. In Ameisenmitteln für den Hausgebrauch und in der Tiermedizin ist das Mittel hingegen weiterhin als Wirkstoff im Einsatz.

Die AGES wollte Boigenzahns Aussagen bezüglich der Proben nicht bestätigen, da der aktuelle Monitoring-Bericht erst beim Landwirtschaftsministerium zur Approbation aufliegt. Mit einer Veröffentlichung wird im April oder Mai gerechnet.

Bienen sterben weiter

"Die schlechte Nachricht ist, dass das Bienensterben weitergeht", behauptet hingegen Helmut Burtscher von Global 2000. Zwar seien die alljährlichen Erhebungen der Wintersterblichkeit von Bienenvölkern noch im Gange, jedoch zeichne sich bereits jetzt ab, dass diese für den Winter 2014/2015 höher ausfallen wird als üblich. Das war bereits im Winter zuvor der Fall.

"Entscheidend ist unter anderem, ob es durchgehend kalt war, oder ob zwischenzeitliche Warmphasen die Bienen zu früh aus der Ruhephase geweckt haben", erklärt Burtscher. Einerseits stelle eine plötzlich wieder einsetzende Kälte eine Gefahr dar, andererseits verbessere Wärme die Bedingungen für die Varroamilbe. Temperaturschwankungen setzen den Tieren also generell zu. Wenn Bienenstöcke zusätzlich mit Pestiziden belastet sind, verschärft das die Lage, da das Immunsystem der Tiere dadurch geschwächt wird.

Die aktuelle Situation bleibt trotz des Neonicotinoid-Teilverbots laut Helmut Burtscher von Global 2000 unverändert kritisch. Denn immer noch erlaubte Stoffe der Substanzgruppe "wie Thiacloprid wurden umso mehr gefunden", meint der Umweltschützer.

Keine Änderung sieht auch Bienenforscher Stefan Mandl, der ehmalige Leiter der ARGE Bienenforschung an der BOKU: "Das Problem verlagert sich nur. Das Teilverbot war ein politischer Kompromiss, weil man bei einigen Mitteln wusste, dass sie das Ökosystem belasten", erklärt Mandl. Deshalb habe man deren Verwendung ausgesetzt. Er kritisiert, dass die meisten Neonicotinoide weiterhin erlaubt wurden, "um zu sehen, welche Wirkung sie haben". Also ändert das Teilverbot in Wahrheit für Bienen nicht viel, meinen die Experten unisono.

Bessere Tests gefordert

Einen Lichtblick gibt es hingegen von Seiten der EFSA: Laut Burtscher werde dort derzeit diskutiert, wie man in Zukunft die Sicherheit von Pflanzenschutzmitteln besser bewerten kann.

"Dieser Vorschlag ist ein Resultat der Erkenntnis aus 2012, dass die bisherigen Testmethoden für systemische Pestizide (Anm.: Diese verteilen sich beim Heranwachsen der Pflanze im gesamten Organismus. Dadurch werden Schädlinge, aber auch Nützlinge wie Bienen getötet.) nicht ausreichen."Der bisherige Entwurf sieht unter anderem vor, dass man genauere Prüfverfahren einführt, die die subletalen (Anm.: beinahe tödlichen) Effekte stärker berücksichtigt", darunter fallen auch die erwähnte Orientierungslosigkeit oder das fehlerhafte Lernverhalten der Tiere, welches Pestizide auslösen können.

"Nicht nur die Honigbiene, sondern auch die Wildbiene soll dabei künftig im Fokus stehen", so Burtscher. Jedoch gibt es - wie bereits vor der Entscheidung über das Neonicotinoid-Verbot - Widerstand aus den Reihen einiger Pestizidhersteller. Daher fordert man bei Global 2000, dass Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) bei seinen europäischen Amtskollegen Stimmung für den "Wildbienen-freundlichen" Entwurf machen soll.

Ende des Teilverbots

Noch dieses Jahr endet das zweijährige Teilverbot. Einer eventuellen Weiterführung des Verbots geht noch eine abschließende Evaluierung der Verbotsmaßnahmen voraus, welche den Mitgliedsländern und der EU-Kommission vorgelegt wird. Burtscher hofft, "dass die EU-Kommission sich dahingehend entscheidet, das Teilverbot zu verlängern." Auch Christian Boigenzahn wünscht sich ein dauerhaftes Verbot nicht nur in Österreich, sondern EU-weit.

Ebenso wie bei der Weiterführung des Pestizid-Teilverbots ist für den Richtlinienentwurf noch eine Entscheidung der Mitgliedsstaaten bzw. der EU-Kommission ausständig. Verbesserte Risikobewertung sei jedenfalls erforderlich. Zumindest bei der Weiterführung der Teilverbote gibt sich Boigenzahn optimistisch: "Wir gehen davon aus, dass die Teilverbote bleiben werden - alles andere wäre ein Rückschritt."

Lukas Lottersberger, science.ORF.at

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