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Künstlerische Darstellung von Zellen/Mikroben

Die Wege der Keime

Gefährliche Krankenhauskeime gefährden Patienten. Um ihre Verbreitung nachzuvollziehen und dieser in Zukunft besser vorzubeugen, haben französische Forscher die Wege der Keime in "Echtzeit" nachgezeichnet. Mit drahtlosen Sensoren erhoben sie alle persönlichen Kontakte. Fazit: Übertragen werden sie meist durch das Personal.

Infektionen 20.03.2015

Die Studie in "PLOS Computational Biology":

"Detailed Contact Data and the Dissemination of Staphylococcus aureus in Hospitals" von Thomad Obadia et al., erschienen am 19. März 2015

Eigentlich harmlose Keime können im Krankenhaus zur Bedrohung werden, zum Beispiel Staphylococcus aureus. Das Bakterium kommt auf Haut und Schleimhäuten von Tieren und Menschen vor. Nach Schätzungen trägt es etwa jeder Dritte auf der Haut oder in der Nase. In der Regel verläuft ein Befall symptomlos.

Immunsystem bereits geschwächt

Nur unter geeignete Bedingungen werden die Keime gefährlich, etwa wenn das Immunsystem des Wirts geschwächt ist - ein Umstand, der in Pflege- und Krankeneinrichtungen häufiger zutrifft als außerhalb. Besonders gefürchtet sind jene Bakterien, die gegen manche Antibiotika resistent geworden sind. Auch von S. aureus gibt es solche Varianten, z. B. MRSA. Diese befindet sich in Kliniken weltweit auf dem Vormarsch. Zehntausende Todesfälle sollen auf ihr Konto gehen.

Übertragen wird der Erreger in der Regel durch direkten Kontakt. Um der Ausbreitung bei anfälligen Spitalspatienten entgegenzuwirken, empfiehlt es sich daher, dort auf erhöhte Hygiene zu achten. Das Personal sollte beispielsweise regelmäßig seine Hände desinfizieren.

Ansteckungsgefahr Personal

Völlig verhindern lässt sich die Verbreitung allerdings kaum. Um die Übertragungswege nachzuvollziehen, haben Forscher bisher meist auf Simulationen zurückgegriffen. Für die aktuelle Studie versuchte das Team um Thomas Obadia von den Sorbonne, ein möglichst realistisches Bild zu zeichnen. Über einen Zeitraum von vier Monaten überwachten sie eine französische Pflegeeinrichtung mit fünf Stationen und insgesamt 200 Betten mikrobiologisch.

Übertragungsnetzwerk von Krankenhauskeimen

Obadia et al.

Ein Ausschnitt aus dem erstellten Übertragungsnetzwerk. MRSA-Träger sind rot

Dafür statteten sie 329 Patienten und 261 Mitarbeiter des Betreuungspersonals mit drahtlosen Sensoren aus, um alle zwischenmenschliche Kontakte aufzuzeichnen. Das ergab eine beachtliche Zahl von etwa 85.000 Kontakten täglich. Parallel dazu wurde bei allen Teilnehmern einmal pro Woche ein mikrobiologischer Abstrich der Nasenschleimhaut genommen. Insgesamt wurden 273 Neubesiedlungen mit S.-aureus-Stämmen festgestellt, darunter 144 mit der gefürchteten MRSA-Variante. Bei 173 konnten die Forscher den Übertragungsweg anhand der Kontaktaufzeichnungen tatsächlich nachvollziehen. Beim Rest blieb die Ansteckung ungeklärt.

Ungefähr ein Drittel aller neu aufgenommenen - zuvor S.-aureus-freien - Patienten wurden laut Studie innerhalb eines Monats infiziert. Zusätzliche Analysen ergaben, dass der Kontakt mit dem Personal für die Patienten riskanter war als jener untereinander. Laut den Forschern könnten vergleichbare Überwachungstechniken in Zukunft helfen, bedrohliche Infektionen im Spitalseinsatz zu vermeiden oder zumindest einzudämmen.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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