Für Larissa Krainer von der Alpe Adria Universität Klagenfurt ist Nachhaltigkeit ein echtes Konfliktprogramm. "Ökonomische, ökologische und soziale Interessen widersprechen einander in der Regel", so die Forscherin. "Was für die Wirtschaft gut ist, kann aus ökologischer oder sozialer Sicht zu großen Problemen führen und umgekehrt."
Hier eine Balance zu finden, sei eine große Herausforderung, so Krainer. Vor allem aber wird es problematisch, wenn man versucht, ein Denkmodell auf alle anderen Bereiche auszudehnen. "Das ökonomische wie das technologische Modell werden derzeit auf beinahe alle Lebensbereiche übersetzt – auch dort, wo es gar nicht sinnvoll ist", erklärt die Wissenschaftlerin. So hätten beispielsweise Wachstums- und Zahlenlogiken im Bildungs- und Sozialbereich nichts verloren.

Maurer
Larissa Krainer ist Philosophin und Kommunikationswissenschaftlerin an der Alpe Adria Universität Klagenfurt und Herausgeberin des Buches "Kulturelle Nachhaltigkeit - Konzepte, Perspektiven, Positionen".
Veranstaltungshinweis
Larissa Krainer war vor Kurzem Gast der Veranstaltungsreihe "Mut zur Nachhaltigkeit", veranstaltet vom Umweltbundesamt
Link:
Dominante Wachstumslogik
"Es ist eine innere Logik unseres Gesamtsystems, dass Wachstum und Innovation prinzipiell etwas Gutes sind. Das führt in vielen Bereichen zu großen Problemen und verhindert nachhaltiges Verhalten", folgert Krainer und verweist unter anderem auf die sich rasch weiterentwickelnden Kommunikationstechnologien. "Es ist völlig normal, alle ein bis zwei Jahre ein neues Handy zu haben. Dafür nehmen wir einen enormen Verbrauch an Energien und wertvollen Ressourcen in Kauf."
Für die Forscherin zeigt sich anhand dieses Beispiels deutlich, wie eine materialistische Lebensweise und Nachhaltigkeit in Widerspruch stehen. Hinzu kommt, dass neoliberale Glaubenssätze wie "Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied" oder "Geht's der Wirtschaft gut, geht's uns allen gut" fest in unserem Denken verankert sind und kaum hinterfragt werden.
Dass diese Logik in weiterer Folge nicht nur der Umwelt schadet, sondern auch zu einer immer größer werdenden Kluft zwischen reichen und armen Menschen führt, beobachtet die Wissenschaftlerin mit großer Sorge.
Das richtige Maß Wachstum
Doch obwohl die Wachstumslogik zu vielen Problemen führt - eine allumfassende Abkehr von ihr hält die Nachhaltigkeitsforscherin für nicht sinnvoll. "Wenn wir ausschließlich auf eine intakte Umwelt achten, kann die Welt wiederum ökonomisch aus dem Gleichgewicht geraten", warnt Krainer. Jede Form der Extremisierung könnte schließlich zu neuen Problemen führen, wie z.B. ein Stagnieren des Fortschritts oder eine Einschränkung der Freiheit.
"Man müsse sich genau ansehen und sorgfältig abwägen, wo es sinnvoll ist, Wachstum einzuschränken", lautet das Fazit der Nachhaltigkeitsforscherin. Es gehe darum, sich in Ruhe die Fragen zu stellen, "wohin wir wollen und wie wir uns auch zukünftige Gesellschaften vorstellen können".
Verzicht sei für Krainer aber unumgänglich - auf Konsumenten- wie Produzentenebene. Fraglich ist jedoch, wie viel freiwillige Selbstbeschränkung – insbesondere seitens der Unternehmen – in einem auf Wachstum orientierten System erwartet werden kann. "Solange Wachstum das Kernanliegen und die einzige Überlebensmöglichkeit von Unternehmen ist, wird es schwer", räumt die Nachhaltigkeitsforscherin ein.
Politisches Handlungsdefizit
Natürlich sei hier auch die Politik gefragt, die erforderlichen Maßnahmen zu setzen. Im Moment ist diese jedoch in einer schwierigen Position: Durch den Glauben an einen freien Markt, der sich selbst reguliert, ist die Politik zunehmend in die Defensive geraten. Laut Krainer hat sie sich das zum Teil auch selbst zuzuschreiben.
So haben im Rahmen des "Thatcherismus" einige Politiker diese Idee sehr stark vorangetrieben. "Nun ist die Politik nicht mehr so leicht in der Lage, die wirklich schwierigen Reglementierungen gegenüber massiven wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen", erklärt die Wissenschaftlerin.
Das Image der Politik muss wieder aufgewertet und ihre Aufgabenstellung neu definiert werden, fordert die Forscherin. Hierbei seien vor allem die Bürger gefragt: "Wir sind alle politische Wesen, müssen einen klaren Handlungsauftrag formulieren und gewisse Entscheidungen und Maßnahmen klar einfordern." Die Lösung der Nachhaltigkeitsproblematik könne den Politikern jedoch nicht allein überantwortet werden.
Die Suche nach Alternativen
Im Moment beobachtet die Forscherin, dass viele Menschen versuchen, Alternativen zu einem kapitalistischen Lebensstil zu finden: Sei es systemimmanent, indem neue umweltschonende Technologien entwickelt werden, oder darüber hinaus neue Geschäftsmodelle, Wohn- und Arbeitsgemeinschaften entstehen.
Gleichzeitig drohen diese alternativen Modelle – wie zum Beispiel Carsharing – sich ebenfalls in die Wachstumslogik einzugliedern: "Die Daten der Benutzer haben für die Unternehmen einen großen Wert und sollen wiederum dazu dienen, die Nachfrage zu steigern", so Krainer.
Wie konkret eine konsequent nachhaltige Gesellschaft aussehen könnte, die den ökonomischen, ökologischen und sozialen Anforderungen unseres Zusammenlebens gleichermaßen gerecht wird, kann Krainer am Ende nicht erklärten. Als Kommunikationswissenschaftlerin und Philosophin sieht sie ihre Rolle in der Nachhaltigkeitsdebatte darin, diverse Alternativbestrebungen zu koordinieren und die "Vernetzung der verschiedenen Kompetenzen voranzubringen".
Ruth Hutsteiner, science.ORF.at
Mehr zu dem Thema: