Der Geburtskanal ist, wenn man so will, die Engstelle der menschlichen Evolution. Denn im Zuge der Entwicklung des aufrechten Gangs wurde das Becken schmäler, das Gehirnvolumen hingegen - und damit auch die Köpfe der ungeborenen Kinder - stetig größer.
Die Folge sind Probleme im Geburtsverlauf: Sie treten bei drei bis sechs Prozent aller Geburten auf und sind für acht Prozent der mütterlichen Todesfälle verantwortlich. Speziell in Entwicklungsländern mit schlechter medizinischer Versorgung ist die Mortalität bei der Geburt hoch.
Die Studie
"Covariation between human pelvis shape, stature, and head size alleviates the obstetric dilemma", PNAS (20.4.2015; doi: 10.1073/pnas.1420325112).
Die Evolutionsbiologin Barbara Fischer vom Department für Theoretische Biologie der Uni Wien hat nun gemeinsam mit dem Anthropologen Philipp Mitteröcker 99 menschliche Skeletten analysiert - und untersucht, ob die andauernde Selektion durch die Geburt Auswirkungen auf den Körperbau hat. Die Antwort: Ja, das hat sie, Kopf- und Körpergröße hängen mit der Gestalt des Beckens zusammen.
Kleinere Frauen haben schwierigere Geburten
Die Größe des Kopfes ist zum Gutteil genetisch bestimmt und wird somit vererbt. Frauen mit großen Köpfen bringen daher auch Kinder mit großen Köpfen zur Welt. Die Wissenschaftler fanden bei diesen Frauen eine bisher unbekannte Anpassung: Ihr Kreuzbein ist kürzer, weniger gekrümmt und lässt so mehr Platz im Geburtskanal.
Bei kleineren Frauen stellten die Forscher einen runderen Geburtskanal als bei größeren Frauen fest. Auch diese Anpassung soll die Geburt erleichtern. "Die Evolution hat es aber offenbar nicht geschafft, mit dieser Anpassung den Nachteil kleinerer Frauen bei der Geburt zu kompensieren", sagte Fischer im Gespräch mit der APA. Denn kleine Frauen haben im Vergleich zu größeren im Schnitt schwierigere Geburten und ein höheres Risiko für Komplikationen.
Die Väter würden bei der Selektion über den Geburtsvorgang keine Rolle spielen, betonen die Forscher in ihrer Arbeit. Ganz zu vernachlässigen sind sie aber dennoch nicht. Denn Frauen und Männer teilen sich sehr viele Gene, insbesondere auch jene für den Körperbau. "Der Selektionsdruck durch die Geburt besteht aber nur in einem Geschlecht. Ein enges Becken ist nur für Frauen von Nachteil, nicht aber für Männer", so Fischer.
science.ORF.at/APA
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