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Impfung in den Oberarm

Bestätigt: Kein Autismus durch Masernimpfung

Impfgegner behaupten seit Jahrzehnten, dass es einen Zusammenhang zwischen Masernimpfungen und Austismus gäbe. Eine aktuelle Studie zeigt erneut: Das ist Unsinn. Für die Behauptung gibt es keine medizinischen Belege.

Impfrisiko 22.04.2015

Neue Epidemien

Die Studie in "JAMA":

"Autism Occurrence by MMR Vaccine Status Among US Children With Older Siblings With and Without Autism" von Anjali Jain et al., erschienen am 21. April 2015.

Ö1 Sendungshinweis:

Dem Thema Masern widmet sich auch ein Beitrag im Mittagsjournal um 12:00.

Seit Herbst 2014 grassieren die Masern im benachbarten Deutschland, allein in Berlin gab es bereits 1.000 Masernfälle. Und noch ist kein Ende in Sicht. Auch in den USA gab es zur selben Zeit einen Ausbruch. Experten sind sich einig: Schuld an den Krankheitswellen ist die Impfmüdigkeit.

Diese hat zum Teil ganz pragmatische Gründe: Nachdem Krankheiten wie eben Masern zumindest in den reichen Weltregionen extrem selten geworden sind, sehen viele keine Notwendigkeit mehr, sich selbst oder ihre Kinder impfen zu lassen - sie halten die Krankheit gewissermaßen für "weggeimpft".

Ein Fehlschluss, wie Forscher warnen. Erstens können Krankheiten reimportiert werden. Außerdem steigt das Risiko für Erkrankungen, sobald die Durchimpfungsrate der Bevölkerung sinkt. Laut den Autoren einer im März dieses Jahres in JAMA Pediatrics veröffentlichten Studie sollte die Impfrate für einen ausreichenden "Herdenschutz" zwischen 96 und 99 Prozent liegen.

Fakten zu Masern:

Die Bezeichnung Kinderkrankheit klingt zwar harmlos, im Ernstfall können Masern aber zum Tod führen. 1980 - vor Beginn der großen Impfkampagnen - gab es laut WHO pro Jahr weltweit ca. 2,6 Millionen Todesfälle.

2013 waren es noch immer 145.700 pro Jahr - das sind 400 Fälle pro Tag, 16 pro Stunden. Die meisten davon betrafen Kinder unter fünf Jahren. Die Krankheit zählt somit zu den häufigsten Todesursachen bei kleinen Kindern.

Auch in Europa haben sich seit Anfang 2014 22.000 Menschen mit Masern angesteckt. In Österreich waren es seit Anfang dieses Jahres 122. Dabei hätte Übertragung nach den Plänen der WHO in Europa bereits heuer endgültig unterbrochen sein sollen. Gescheitert ist das an den zu niedrigen Durchimpfungsraten. Letztes Jahr sind in Europa rund 30 Männer, Frauen und Kinder an Masern gestorben, an der Impfung keiner.

Link:

Europäische Impfwoche (WHO): 20. bis 25. April 2015.

Angst vor Nebenwirkungen

Aber nicht nur aus praktischen Gründen verweigern immer mehr Menschen Impfungen wie die Masern-Mumps-Röteln-Impfung (MMR), sie halten sie sogar für schädlich. Impfgegner nennen eine ganze Reihe Argumente, die oft mehr mit Weltanschauung denn mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu tun haben. Impfungen sollten etwa deswegen überflüssig sein, weil Kinderkrankheiten für eine gesunde Entwicklung notwendig seien. Diese Ansicht führt mitunter zu seltsamen Praktiken, Stichwort "Masernparty" - also die gezielte Infektion von Kindern.

Zudem solle die Impfung das Risiko für alle möglichen anderen Krankheiten erhöhen, unter anderem für Multiple Sklerose, Diabetes und Autismus. Die letzte Vermutung geht auf eine einzige Studie aus dem Jahr 1998 in der Fachzeitschrift "The Lancet" zurück. In der Untersuchung präsentierte der britische Mediziner Andrew Wakefield einen angeblichen Zusammenhang der MMR-Impfung mit Autismus.

2010 wurde die Studie allerdings von dem Journal zurückgezogen. Eine Untersuchung der britischen Ärztekammer warf dem Autor "unethische Forschungsmethoden", "unverantwortliche Darstellung der Ergebnisse" und "Fehler in der Studie" vor. Noch im selben Jahr wurde Wakefield ein Berufsverbot erteilt.

Davor hatte er aber genug Zeit, in der impfkritischen Community seine Spuren zu hinterlassen. Die Impfraten sanken und erstmals gab es in westlichen Ländern wie Großbritannien wieder Todesfälle infolge von Masern. Und trotz des unrühmlichen Abgangs des Mediziners hält sich das Gerücht um den Zusammenhang der Impfung mit Autismus in einschlägigen Kreisen hartnäckig, obwohl alle folgenden Studien zum Thema ebenfalls keinen Zusammenhang fanden.

Kein Zusammenhang

Um den Kritikern mit noch mehr Fakten zu begegnen, haben die Forscher um Anjali Jain nun erneut einen großen Datensatz nach möglichen Korrelationen durchsucht. Dabei haben sie sogar noch einen Spezialaspekt berücksichtigt, nämlich Kinder, die Geschwister mit Autismus haben.

Die Studie erfasste über 95.000 Kinder, die über mehrere Jahre begleitet wurden. Ein Prozent davon hatte ein älteres Geschwisterkind, das an Autismus leidet. Insgesamt erkrankten 994 Teilnehmer der Kohorte im Lauf der Studienzeit an Autismus. Jene mit genetischer Vorbelastung waren vergleichsweise häufiger betroffen. Die MMR-Impfung hingegen hatte laut den Forschern keinerlei Auswirkungen, bei den genetisch vorbelasteten genauso wenig wie bei den unbelasteten Kindern.

Das sei den Autoren zufolge eine wichtige Zusatzinformation, denn besonders jene Eltern, die bereits ein an Autismus erkranktes Kindern haben, schrecken vor der MMR-Impfung zurück oder zögern diese möglichst lange hinaus. Sie haben die Befürchtung, die Immunisierung könnte einen weiteren Beitrag zum Ausbruch der Erkrankung leisten. Das zeigen auch die von den Autoren erhobenen Durchimpfungsraten: Bei den genetisch vorbelasteten Kinder sind sie deutlich niedriger.

Unter anderem aufgrund der Wakefieldschen Studie und deren Verfechter sind Impfungen für die rätselhafte Zunahme des Autismus in den letzten Jahrzehnten verantwortlich gemacht worden. Laut den Ergebnissen der vorliegenden Studie ist das definitiv nicht der Fall - man muss sich wohl auf die Suche nach anderen Ursachen machen. Für die Impfängstlichen gibt es jedenfalls erneut Entwarnung.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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