Das in den Neonicotinoiden enthaltene Nikotin wirkt direkt auf das Gehirn von Bienen und Hummeln und löst dort den "typischen Suchtmechanismus" aus, bestätigt Studienleiterin Geraldine Wright von der Universität Newcastle im Interview mit science.ORF.at. Ob sich die Vorliebe in eine Sucht mit allen Begleitumständen wie Entzugserscheinungen auswächst, müsste aber erst in langfristigen Studien überprüft werden.
Orientierungslos und verwirrt
Die Studie:
"Bees prefer foods containing neonicotinoid pesticides", erschienen in "Nature" am 22. April 2015.
Ö1-Sendungshinweis:
Über den Effekt von Neonicotinoiden berichten auch die Journale sowie die Nachrichten.
Schwerpunkt "Mutter Erde":
Der ORF widmet heuer seinen Umweltschwerpunkt "Mutter Erde" den Bienen, über die in der Woche von 20. bis 26. Juni in allen Medien berichtet wird. Ö1 wird etwa in der Sendereihe "Vom Leben der Natur" die Wildbiene zum Thema machen, von der im Unterschied zur Honigbiene nur wenig bekannt ist. Geplant sind auch Aktionen mit direkter Publikumsbeteiligung. Weitere Informationen sind auf Teletext-Seite 136 sowie im Internet zu finden.
Neonicotiniode sind synthetisch hergestellte Wirkstoffe, die zur Bekämpfung von Pflanzenschädlingen eingesetzt werden. Wird das Saatgut damit behandelt, verteilen sich die Mittel beim Wachstum auf die gesamte Pflanze, sind also später auch im Pollen und Nektar zu finden. Im Jahr 2013 wurde der Einsatz von drei verschiedenen Arten von Neonicotinoiden in der EU - und damit auch in Österreich - verboten. Studien hatten gezeigt, dass die Bienen durch das Insektizid die Orientierung verlieren und nicht mehr in ihren Stock zurückfinden.

Maj Rundlöf
Kritiker dieses Verbots, das auf EU-Ebene vorerst für zwei Jahre erlassen wurde und nicht alle Nutzpflanzen umfasste, meinten damals, dass schon eine Verringerung der eingesetzten Menge den Bienen helfen würde. Dann hätten sie wieder mehr insektizidfreie Blüten zur Verfügung.
Vorliebe für insektizidhaltigen Nektar
Die nun vorliegende Studie zeigt: Diese Strategie wäre sinnlos. Denn haben Bienen die Wahl, wählen sie immer wieder den insektizidhaltigen Nektar, erklärt die auf das Nervensystem von Insekten spezialisierte Forscherin Geraldine Wright: "Neonicotinoide steuern im Nervensystem von Bienen die gleichen Mechanismen an wie Nikotin im Gehirn von Menschen. Trinken Bienen von der neonicotinoidhaltigen Lösung, wird das Belohnungssystem angesprochen und sie empfinden diese Art von Nahrung als befriedigender."
Bei ihrem Versuch setzten die Forscher das Insektizid in jener sehr niedrigen Konzentration der Zuckerlösung zu, die auch in der Natur zu finden ist. Trotzdem werden bestäubende Insekten beeinflusst, so Geraldine Wright.
Vorsicht bei Alternativen
Laut den Forschern reicht es deshalb nicht aus, um Felder herum einen Streifen mit insektizidfreien Pflanzen für die Bienen anzubauen. Die Einschränkung der Verwendung von Neonicotinoiden sei möglicherweise der einzige Weg, den Rückgang aufzuhalten.
Allerdings müsse man auch bei der Wahl der Alternativen vorsichtig sein, mahnen Nigel Raine von der University of Guelph in Kanada und Richard Gill vom Imperial College London in einem ebenfalls in "Nature" veröffentlichten Kommentar. Sie müssten sorgfältig geprüft werden, um nicht unbeabsichtigt vielleicht noch gefährlichere Stoffe einzusetzen.
Elke Ziegler, science.ORF.at