Nerven sind eigentlich nicht dafür bekannt, sehr dehnbar zu sein. Im Gegenteil: Überdehnungen gehören sogar zu einer häufigen Form der Nervenschädigung beim Menschen. Furchenwalen (Balaenopteridae), zu denen auch Finn- und Blauwale gehören, hat hingegen die Elastizität ihrer Nerven vermutlich einen evolutionären Vorteil verschafft.
Die Studie
"Stretchy nerves are an essential component of the extreme feeding mechanism of rorqual whales", Current Biology (4.5.2015; doi: 10.1016/j.cub.2015.03.007).
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Gustavo Ybarra / WWF-Canon
Diese Tiere öffnen ihr Maul extrem weit, um große Mengen Wasser in ihrem Kehlsack aufzunehmen. Mit der Zunge drücken sie das Wasser dann durch ihre Barten wieder aus dem Maul und filtern so Krill und Plankton heraus. Das Volumen des Wassers, das mit einem Schluck aufgenommen wird, kann dabei das Volumen des Wals selbst übertreffen.
Zufallsentdeckung im Labor
Für diese Art der Nahrungsaufnahme haben die Meeresgiganten eine anatomisch angepasste Zunge und Fettschicht (Blubber) im Bereich des Mauls. "Wir erkennen nun, dass auch die Struktur der Nerven in diesen Geweben daran angepasst ist", sagt Wayne Vogl, einer der Studienautoren. Diese Nerven könnten demnach hilfreich für die Entwicklung der riesigen Körper jener Walarten gewesen sein.

Vogl et al./Current Biology 2015
Diese Erkenntnis machte das Team der Universität von British Columbia eher zufällig: Einem der beteiligten Wissenschaftler fiel im Labor eine matt-weiße, schnurartige Struktur auf, die von einem Finnwal (Balaenoptera physalus) stammte und sich dehnen ließ. Zunächst dachten die Biologen, dass es sich um Blutgefäße handelte, stellten dann aber fest, dass sie Nervenstränge in den Händen hielten.
"Bungee-Nerven" auch bei Fröschen vermutet
"Diese langen Nerven dehnen und ziehen sich zusammen wie Bungee-Seile", so Vogl. Bei genauerer Untersuchung stellten die Forscher fest, dass die Nervenfasern den Kern der Stränge bilden und sich nicht dehnen, sondern vielmehr entfalten.
Um die Nervenfasern befindet sich wiederum eine sehr dicke und dehnbare äußere Wand elastischer Fasern, die aus Kollagen und Elastin besteht. Reißt der Wal nun sein Maul auf, entfalten sich die Nervenfasern im Kern des Strangs, während sich die elastischen Fasern darum dehnen.
Die Wissenschaftler vermuten nun, dass diese Art der Nervenstränge auch bei anderen Tieren vorkommt, etwa bei Fröschen mit aufblasbaren Kehlsäcken oder Chamäleons mit ihren langen und schnellen Zungen. Sie wollen nun untersuchen, wie der Nervenkern sich so schnell entfalten und wieder zusammenfalten kann. "Unsere Entdeckung macht deutlich, wie wenig wir über die Anatomie der größten Meeresbewohner wissen", betont der an der Studie beteiligte Meeresbiologe Nick Pyenson.
science.ORF.at/dpa
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