Sowohl die Zugangsbeschränkungen in den fünf Studienfeldern als auch die STEOP sind mit einem gesetzlichen "Selbstzerstörungsmechanismus" ausgestattet. Werden sie nicht verlängert, treten sie Ende 2015 außer Kraft. Mitterlehner will nun - ausgestattet mit zwei Evaluierungen des Instituts für Höhere Studien (IHS) - mit der SPÖ über eine Verlängerung verhandeln und diese im Herbst beschließen, so der Minister vor Journalisten.
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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag im Mittagsjournal am 28.5. um 12:00
Die Zugangsbeschränkungen in den fünf Studienfeldern betreffen insgesamt 40 Fächer: Bei Überschreitung einer gesetzlich festgelegten Höchstzahl an Studienwerbern können die Unis eine Aufnahmeprüfung durchführen. In der Praxis gliederten sie dieses Verfahren in eine Registrierungsphase, ein Online-Self-Assessment bzw. die Vorlage eines Motivationsschreibens und erst am Schluss einen Aufnahmetest.
Die IHS-Evaluierung zeigte nun unter anderem, dass sich einerseits nur die Hälfte der Studien an den Aufnahmeverfahren beteiligt haben und dass in beiden Jahren kein einziger Studienwerber aufgrund seines Testergebnisses scheiterte. Grund: Zwar registrierten sich in manchen Studien durchaus mehr Bewerber als Plätze vorhanden waren - später gaben sie aber entweder kein Motivationsschreiben ab bzw. absolvierten das (nicht beurteilte) Self Assessment nicht oder kreuzten bei der Prüfung nicht auf. Alle Studienwerber, die zur Prüfung antraten, wurden daher auch aufgenommen - offenbar war also die Prüfungsdrohung schon stärker als die Ausführung.
Im ersten der beiden überprüften Jahre (2013/14 und 2014/15) sank die Studienanfängerzahl in diesen Fächern um 30 Prozent, im zweiten stieg sie aber wieder um rund 20 Prozent an.
Soziale Verteilung gleich geblieben
Bei der sozialen Zusammensetzung der Studenten hat sich "keinerlei systematische Veränderung" ergeben, so Studienautor Martin Unger - und zwar unabhängig davon, ob ein Aufnahmeverfahren durchgeführt wurde oder nicht. Die Anteile von Arbeiter- bzw. Akademikerkindern seien gleich geblieben. Auch an der Geschlechterzusammensetzung habe sich nichts geändert. Der Rückgang bei den Studenten, die über Berufsreife- bzw. Studienberechtigungsprüfung an die Uni kamen, sei sogar unterdurchschnittlich gewesen, so Unger. Einzig bei älteren Studienwerbern (über 24) habe es einen etwas stärkeren Rückgang gegeben.
Tendenziell hat es in den fünf Studienfeldern nach Einführung der Beschränkung weniger Studienabbrüche und Studienwechsel gegeben. "Bei manchen Studien gibt es sogar durchaus die Hoffnung, dass man am Schluss mehr Absolventen hat", so Unger. In anderen seien die Anfängerrückgänge allerdings so stark gewesen, dass am Schluss weniger Absolventen stehen würden.
Analysiert wurde auch durch Befragungen, welche Studienwerber trotz Anmeldung nicht zur Prüfung erschienen: Dies seien vor allem Personen gewesen, die sich an mehreren Unis angemeldet haben - etwa für Wirtschaft an der Uni Wien und der Wirtschaftsuni. Außerdem würden viele Deutsche "pokern": Da diese erst relativ spät Bescheid bekommen, ob sie einen Studienplatz in ihrer Heimat erhalten, würden sie sich zur Sicherheit an österreichischen Unis anmelden.
"Bessere Planbarkeit"
Für Mitterlehner haben die Unis durch die Beschränkungen in diesen Fächern eine "bessere Planbarkeit ihrer Ressourcen" erhalten. Die Studenten wiederum hätten sich zwar klarer orientieren und bewusster für ein Fach entscheiden müssen - dennoch sei niemand abgewiesen worden.
Gleichzeitig führte das Ministerium eine Befragung der 15 Rektoren der wissenschaftlichen Unis durch. Von diesen sprachen sich 13 für eine weitere Beschränkung aus - in durchaus unterschiedlicher Form, so der stellvertretende Hochschul-Sektionschef Heribert Wulz: Manche würden sich Beschränkungen in allen Fächern wünschen, andere den Status quo, wieder andere die Ausweitung auf bestimmte Fächer.
Letzteres will auch Mitterlehner: Jus soll aufgrund der hohen Studentenzahlen beschränkt werden, Chemie aufgrund der teuren Laborplätze sowie Verdrängungseffekten aus der Pharmazie. Auch andere Fächer seien möglich - hier wolle er aber den Verhandlungen nicht vorgreifen.
Große Unterschiede bei STEOP
Einen wahren Wildwuchs an Regelungen erhob das IHS bei seiner Evaluierung der STEOP. Diese gilt an jenen elf Unis, wo es keine generellen Zugangsbeschränkungen gibt. Der ein Semester dauernde Studienabschnitt soll einen Überblick über Inhalt und Ausrichtung des jeweiligen Studiums liefern. Nur wer alle Prüfungen der STEOP besteht, darf weiterstudieren.
"Die STEOP ist extrem unterschiedlich implementiert", so Unger. Sie umfasst je nach Uni einen bis zu 30 ECTS-Punkte. Außerdem dürfe man je nach Uni in einem unterschiedlichen Ausmaß Lehrveranstaltungen vorziehen: "Manche sind sehr großzügig, andere räumen kaum die Möglichkeit dazu ein."
Auch die STEOP führte laut Unger zu keinen Veränderungen bei der Zusammensetzung der Studierenden - weder bei der sozialen Herkunft noch nach Geschlechtern. "Wenn sie abbrechen, dann ohne Rückschluss auf die soziale Herkunft."
Problem der aktuellen STEOP sei die Vermischung von drei Ebenen, betonte Unger: Information, Orientierung über die Inhalte des Studiums sowie eine Zugangsregelung. Er empfahl eine "saubere Trennung" dieser Bereiche. Außerdem sollte das Gesetz verbindlicher formuliert und etwa eine Spanne der eine STEOP umfassenden ECTS-Punkte festgelegt werden: "Ein ECTS-Punkt kann keinen Überblick über ein Studium geben. Es sollte einen Minimalwert geben."
Mitterlehner schweben hier acht ECTS-Punkte vor. Das müsse aber noch mit SPÖ und HochschülerInnenschaft (ÖH) geklärt werden. Auch eine klare Trennung der Ebenen sei wünschenswert: "Die Studienberatung soll nicht Teil der STEOP sein."
Okay der Rektoren, ÖH empört
Grundsätzliche Zustimmung zu einer Aufrechterhaltung bzw. Ausweitung der Zugangsbeschränkungen kommt von der Universitätenkonferenz (uniko): "Alle Unis halten Zugangsregelungen für nötig - in welchem Ausmaß und in welchen Fächern ist aber je nach Standort unterschiedlich", so uniko-Präsident Heinrich Schmidinger zur APA.
Gleichzeitig müsse man aber die Platzbeschränkungen künftig an den Kapazitäten der Universitäten orientieren, betonte Schmidinger. "Wenn dies dann auch noch mit einer echten Studienplatzfinanzierung einherginge, wäre das System stimmig und praktikabel." Derzeit würden als Platzzahl dagegen die durchschnittliche Studentenzahlen der letzten drei Jahre herangezogen - unabhängig von den tatsächlichen Platz- bzw. Ausstattungsverhältnissen.
Grundsätzlich hätten sich die Zugangsbeschränkungen bewährt, meinte der uniko-Präsident: Mit den (von der nunmehrigen Evaluierung allerdings nicht erfassten) Regelungen in Psychologie und Publizistik seien die Überlastungsprobleme an seiner eigenen Universität, der Uni Salzburg, wieder auf ein "bewältigbares Maß" reduziert worden.
Die von Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) ins Spiel gebrachten neuen Beschränkungen in Fächern wie Chemie und Jus würden die Unis sehr unterschiedlich sehen: In Salzburg habe man etwa kein Chemie-Studium, in den Rechtswissenschaften sehe er dafür momentan keine Notwendigkeit: "Das kann aber an anderen Unis anders ausschauen", so Schmidinger. Die Unis müssten die Beschränkungen ja auch nicht nutzen, sollten im Bedarfsfall aber die Möglichkeit dazu haben.
"Empört" zeigte sich dagegen die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH): Eine soziale Selektion bei den Studenten zeichne sich nur deshalb nicht ab, weil aufgrund der zu geringen Teilnehmerzahlen noch keine Aufnahmeprüfung durchgezogen worden sei, hieß es in einer Aussendung. Bei Fächern wie Medizin, Psychologie und Veterinärmedizin zeichne sich dagegen ein "historischer Tiefpunkt bei der sozialen Durchmischung ab".
"Es ist zu erwarten, dass dies auch bei den neu zugangsbeschränkten Fächern eintreten wird, sobald tatsächlich Tests stattfinden", so die ÖH. Eine Verlängerung oder sogar eine Ausweitung auf die Studienfächer Chemie und Rechtswissenschaften lehne man daher vehement ab.
science.ORF.at/APA