Am Anfang war das Pferd
Was heute Veterinärmedizinische Universität heißt, wurde 1765 unter dem Namen "Pferde-Curen- und Operationsschule" gegründet. Maria Theresia wollte mit der Schule eigentlich die Heilung von allgemeinen Nutztierkrankheiten bewirken. Doch im Mittelpunkt blieben vorerst die Pferde. Genauer gesagt: Die Militärpferde. Denn im 18. Jahrhundert herrschte fast dauernd Krieg, und Pferde waren dabei äußerst wichtig.
Dementsprechend waren die ersten Rossärzte keine Tiermediziner im heutigen Sinn, sondern Schmiede. Der Gründungsvater Ludwig Scotti etwa war Militärschmied, der anderen Schmieden das richtige Anlegen und Schmieden von Hufeisen beibrachte.
"Im Zentrum standen Fragen wie die gesunde Haltung der Pferde, ihre Behandlung nach Verletzungen im Krieg, aber auch allgemeine Krankheiten", sagt die Historikerin Daniela Haarmann. Sie ist die wissenschaftliche Beraterin einer Ausstellung zur Geschichte der Vetmed, die noch bis Ende August an der Uni zu sehen ist.

Veterinärmedizinische Universität Wien
Seuchen und Viehkrankheiten
Dieser Fokus alleine machte Maria Theresia aber nicht glücklich. Sie wollte eine Einrichtung, die sich auch um ein anderes wichtiges Thema kümmerte: die Seuchen und Viehkrankheiten, die oft in der Habsburgermonarchie wüteten. Deshalb wurde schon nach einem Jahrzehnt aus der "Pferde-Curen- und Operationsschule" das "k.k. Thierspital und Tierarzneyschule". "Seitdem wurden auch Nutztiere kuriert. Das Rind stand im Zentrum, weil ihm als Lieferanten von Lebensmitteln und Bekleidung eine höhere Bedeutung eingeräumt wurde als dem Schaf oder dem Schwein", sagt Haarmann.
Die Bedeutung der Nutztiere zeigte sich auch an der Lage des Spitals in der Nähe der Landstraße-Hauptstraße im heutigen dritten Wiener Bezirk. Die Landstraße war im 18. Jahrhundert eine der wichtigsten Handelswege. Sowohl die Landbevölkerung als auch die Wiener sollten das Spital schnell erreichen können. Waren Pferde und Rinder ein halbes Jahrhundert lang die Hauptpatienten des Spitals, so kam die Veterinärmedizin nun auf den Hund. In den 1820er Jahren wurde das Hundespital gegründet, und der Hund schnell zum wichtigsten Patienten neben dem Pferd.

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Auf den Hund gekommen - und auf den Affen
"Der Hund war nicht immer der beste Freund des Menschen", erzählt die Historikerin Haarmann. "Das ist ein Phänomen des aufsteigenden Bürgertums um 1800, das angefangen hat, sich Hunde in Wohnungen zu halten. Vorher war der Schoß- oder Luxushund ein Phänomen des Adels."
Mitte des 19. Jahrhunderts waren es schon über 1.000 Hunde, die alljährlich vom Tierspital behandelt wurden. Tollwut war ein großes Thema, aber auch einfachere Krankheiten und Wehwehchen. Im Zuge ihrer Forschungsarbeiten ist Haarmann auch noch auf einen anderen, überraschenden Patienten gestoßen: den Affen. "Wir fanden Aufrufe in der 'Wiener Zeitung', dass die Wiener nicht nur ihre Hunde und Katzen ins Hundespital bringen sollen, sondern auch Affen."
Ob diese ein Massenphänomen waren im 19. Jahrhundert, sei unklar. "Aber man findet immer wieder Fotos, die Affen mit ihren Besitzern bei Spaziergängen zeigen. Das war etwas Exotisches - vergleichbar mit dem heutigen Trend, sich teure Zierfische oder exotische Schlangen in den Wohnungen zu halten: als Repräsentationsmedium eines gewissen Luxusverständnisses."

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Mit Wirtschaftswunder kamen die Katzen
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts und bis zum Ersten Weltkrieg stand das Tierarznei-Institut vor allem unter dem Einfluss des Militärs. Auch als es 1896 zu einer Hochschule erhoben wurde und fortan "k. u. k. Tierärztliche Hochschule" hieß. Militärpferde und Militärhunde waren die Hauptkunden, das änderte sich endgültig erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Dafür wurden die Katzen immer wichtiger.
Vereinzelt hat es sie zwar schon gegeben, aber sie waren im 19. Jahrhundert in der Stadt nicht weit verbreitet, wie Daniela Haarmann erzählt. "Das lag daran, dass mit der Katze alte Vorurteile verbunden waren, sie galten z.B. als Unglücksbringer. Sie wurden erst mit dem Wirtschaftswunder der 1960er Jahre immer beliebter und begannen dem Hund Konkurrenz zu machen. Den Leuten ging es besser und damit wuchs auch das Bedürfnis, sich Tiere in den Wohnungen zu halten."
Spätestens seit den 1970er Jahren herrscht in diesen Wohnungen eine bunte Artenvielfalt. Neben Hunden und Katzen auch Fische, Vögel, Hasen, Hamster, Meerschweinchen und andere Nagetiere. Die Hochschule – seit 1975 heißt sie Veterinärmedizinische Universität Wien – reagierte darauf und schuf immer mehr Kliniken für diese Tiere. Im Vorjahr wurden über 45.000 Patienten betreut, der Großteil davon Kleintiere wie Hunde und Katzen. Aber auch über 4.000 Pferde und über 1.000 Nutztiere wurden in Wien-Floridsdorf behandelt – wo die Uni seit fast 20 Jahren residiert.
Lukas Wieselberg, science.ORF.at
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