Als sie zehn Jahre alt war, erzählt Frau Hildegard, habe ihre Erblindung langsam begonnen. "Mit dreißig war meine Wahrnehmung nur mehr minimal, da konnte ich nur mehr Hell und Dunkel erkennen." Vor zehn Tagen wurde der 55-Jährigen in der Wiener Rudolfstiftung ein Chip ins Auge gesetzt. Er ist mit einer dunklen Spezialbrille gekoppelt - und gestern hat Frau Hildegard diese Brille getestet:
"Es war, als würde ich Blitze sehen", erzählt sie. "Das System ist so kurz nach der Operation auf minimale Leistung eingestellt. Ich habe zwar zu meiner Ärztin gesagt: 'Sie können das ruhig raufdrehen, ich verkrafte das schon!' Aber sie wollte nicht, dass etwas passiert."
Brille mit Kamera
Die angesprochene Ärztin ist Susanne Binder - Vorstand der Augenabteilung der Krankenanstalt Rudolfstiftung. Sie und ihr Team haben Frau Hildegard operiert: Der Chip beinhalte 60 Elektroden und sei direkt auf die innere Netzhauschicht aufgesetzt worden, so Binder gegenüber science.ORF.at.
_C..jpg)
C Mierau KAV
Dazu kommt ein Relais samt Batterie am Augapfel, kleiner als eine Erbse und im Gesicht nicht zu erkennen. Damit das System funktioniert, bekommt die Patientin die erwähnte Spezialbrille:
"Die Brille hat vorne eine Kamera installiert - hier erfolgt die Übertragung", erklärt Binder. Die Videokamera funkt Bilder zu dem auf der Netzhaut angebrachten Chip, der dann Nervenzellen stimuliert. "Die Patientin hat außerdem ein Kotrollsystem in ihrer Tasche - es sieht aus wie ein kleines Handy."
Die Wienerin hat nun einige Wochen und Monate vor sich, in denen die Software der Brille angepasst wird - und vor allem: in denen sie damit umgehen lernt. Hildegard M. übt sich in bescheidenem Realismus: "Es hat zwanzig Jahre gedauert, bis ich blind wurde. Also kann ich auch nicht davon ausgehen, dass ich von einem auf den anderen Tag wieder sehen werde."
Ziel: Konturen erkennen
Was ist aus medizinischer Sicht von dem Eingriff zu erwarten? Laut Susanne Binder könnte sich ihre Patientin wieder auf der Straße und in der Wohnung zurechtfinden. Im positiven Fall könnte sie wieder Konturen sehen, Türrahmen und Teller erkennen und helle von dunkler Wäsche unterscheiden.
_KA_R.jpg)
KA Rudolfsstiftung
Weltweit gab es laut Wiener Krankenanstaltenverbund erst 140 derartige Operationen - in Österreich nun die erste. Dieses System ist unter bionischen Systemen das Einzige, das international zertifiziert ist. Es sei vor sieben Jahren erstmals bei Menschen verwendet worden und es gebe Studien, die Behandelte zumindest drei Jahre lang beobachtet haben, berichtet Primaria Binder.
Hinweis für Patienten
Betroffene können sich unter der kostelosen Telefonnummer 0800 802208 informieren.
Es kommt laut Binder allerdings nur für Menschen mit der Netzhauterkrankung Retinitis pigmentosa infrage; und nur für jene, die erblindet sind. Das seien wenige hundert in Österreich. Zudem müsse man gesund und ausdauernd sein. Denn nach der OP beginnt für die Patienten hartes Training.
Barbara Daser, Ö1-Wissenschaft
Mehr zu diesem Thema: