Standort: science.ORF.at / Meldung: "Licht als Gift und Heilmittel"

Sonnenstrahlen auf einer Waldlichtung

Licht als Gift und Heilmittel

"Falsch eingesetztes Licht kann krank machen, gut angewendetes Licht hingegen die Gesundheit fördern und sogar heilen", sagt der Lichtbiologe und Mediziner Alexander Wunsch. Im Gespräch mit science.ORF.at erklärt er den richtigen Umgang mit Sonnen- und Kunstlicht. Seine Empfehlung: mehr Licht untertags, weniger davon in der Nacht.

Technologiegespräche Alpbach 27.07.2015

Der Sommer meint es in diesem Jahr besonders gut. Im Juni lagen die Sonnenstunden elf Prozent über dem vieljährigen Durchschnitt. Und der Juli steht dem um nichts nach. Doch nur wenige wissen, mit dem Sonnenlicht richtig umzugehen, meint Alexander Wunsch.

Vor allem die Gewohnheit, den ganzen Tag mit UV-Schutz eingecremt in der Sonne zu verbringen, hält der Mediziner aus mehrerlei Hinsicht für bedenklich: "Der UV Schutz verleitet dazu, zu lange in der Sonne zu verweilen, weil das natürliche Warnsignal der Haut unterdrückt wird und man die Schädigungen des Organismus nicht merkt. Zudem hindert es die körpereigene Vitamin-D-Produktion, da die UVB-Strahlen nicht an die Haut kommen."

Gewöhnung an die Sonne

Der Biophysiker Alexander Wunsch hält eine Glühlampe in der Hand

Alexander Wunsch

Zur Person:

Alexander Wunsch ist Arzt, Forscher und Referent in den Bereichen Lichttherapie, Photobiologie und Biophysik. Er erforscht Chancen und Risiken natürlicher und künstlicher optischer Strahlung auf Mensch und Umwelt, berät Politik, Medienvertreter und Industrie bei lichtbiologischen Fragen und entwickelt kurative, präventive und protektive Konzepte und Anwendungen für die Lichttherapie und Lichthygiene beim Menschen. Er ist Mitglied der Deutschen Akademie für Photobiologie und Phototechnologie (DAfP), der deutschen Lichttechnischen Gesellschaft (LiTG) und Lehrbeauftragter für den Themenbereich "Light and Health" im internationalen Master-Studiengang "Architectural Lighting Design" der Hochschule Wismar. Er hält regelmäßig Vorträge über biophysikalische, lichtbiologische und lichtmedizinische Themen im In- und Ausland.

Technologiegespräche Alpbach:

Von 27. bis 29. August finden im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach die Technologiegespräche statt, organisiert vom Austrian Institute of Technology (AIT) und der Ö1-Wissenschaftsredaktion. Das Thema heuer lautet "UnGleichheit".

Davor erscheinen in science.ORF.at Interviews mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die bei den Technologiegesprächen vortragen oder moderieren. Alexander Wunsch wird am Arbeitskreis "Leuchtende Zukunft? Herausforderungen und Chancen der LED-Beleuchtung" teilnehmen.

Links:

Ö1-Sendungshinweis

Diesem Thema widmet sich auch ein Beitrag in "Wissen aktuell", 27.7.2015, 13:55 Uhr.

Durch den gewohnten Umgang mit Sonnencreme würden viele aber auch nicht wissen, dass man sich eigentlich an die Sonne gewöhnen kann. "Die Haut gibt einem zu erkennen, wann sie zu viel Sonne abbekommen hat. Das kann man sich zu Nutze machen, indem man sich an die individuelle Verträglichkeitsschwelle herantastet", so Wunsch.

Idealerweise beginnt man mit der Gewöhnung bereits im Frühjahr, wenn die Sonne stärker wird. Für den ersten Tag reichen fünf Minuten in der Sonne und zwar zur Mittagszeit, wo sie am höchsten steht und der UVB-Anteil im Sonnenlicht am größten ist. Nach fünf Minuten beendet man das Sonnenbad und wartet vier Stunden. "Diese Zeitspanne sollte jeder kennen, denn so lange dauert es bei den meisten Menschen, ehe sich eine Überdosierung im Sinne einer Hautrötung bemerkbar macht", erklärt der Lichtbiologe.

Schaltet sich das Warnsignal der Haut nach vier Stunden nicht ein, kann man die Dauer am nächsten Tag auf zehn Minuten verlängern, ansonsten verkürzt man das Sonnenbad um ein paar Minuten. In Summe benötigt die Haut ungefähr vier Wochen, um sich an die Sonnenbedingungen zu gewöhnen. Das kann zum Beispiel bei winterlichen Kurzurlauben in südliche Länder oder während eines verregneten Sommers problematisch sein, weshalb man sich hier nur bedingt auf den körpereigenen Lichtschutz verlassen kann.

Jetlag der Hautzellen

Noch etwas wäre im Urlaub zu beachten, insbesondere wenn die Reise in Länder mit einer großen Zeitverschiebung geht. "Man weiß mittlerweile, dass nicht nur unser Körper mit einer Zentraluhr getaktet ist, sondern dass auch praktisch alle Zellen im Körper mit dem chronobiologischen Rhythmus synchronisiert sind. Das heißt, Hautzellen können dann ebenfalls unter einem Jetlag leiden", erklärt Wunsch.

Legt man sich etwa in Hawaii, wo die Zeitverschiebung zwölf Stunden beträgt, mittags an den Strand, befinden sich die Hautzellen noch Mitten in der Nacht und somit in der Regenerationsphase. Das hat zur Folge, dass sie nicht schnell genug auf die intensive Sonneneinstrahlung reagieren können – die hauteigenen Lichtschutzmechanismen funktionieren nicht optimal.

Die Bedeutung der "inneren Uhr" spielt aber nicht nur bei Fernreisen und beim Umgang mit Sonnenlicht eine Rolle, sondern auch bei Kunstlicht. "Es gibt Statistiken, die besagen, dass sich Menschen heute bis zu 90 und 95 Prozent der Zeit in geschlossenen Räumen auf, dabei sind sie zumeist mit Kunstlicht in Kontakt", so Wunsch.

Vor allem kurzwellige Lichtquellen, zu denen üblicherweise Energiesparlampen, Leuchtstofflampen und die meisten LEDs gehören, kommen in Innenräumen immer öfter zum Einsatz. Nicht zuletzt auch aufgrund des EU-weiten Verbotes von Glühlampen - einer Lichtquelle, die im Gegensatz zu (herkömmlichen) aktuellen LED- oder Energiespar-Lampen, größtenteils langwelliges Licht abstrahlt.

Kurze Welle, blaues Licht

Mittlerweile ist aber durchaus bekannt, dass diese kurzwelligen Kaltlichtquellen, die einen hohen Blauanteil aufweisen, unter anderem den Schlaf-Wach-Rhythmus sowie Hormonhaushalt des Menschen negativ beeinflussen können.

"Ein Problem ist beispielsweise, dass dieses Licht sogenannte Sauerstoffradikale in den Zellen erzeugt - wie zum Beispiel in den Rezeptorzellen der Netzhaut. Diese Sauerstoffradikale beeinträchtigen die Zellfunktionen und behindern die Regeneration", erklärt Wunsch.

Zudem hemmt kurzwelliges Licht die Produktion des Dunkelhormons Melatonin, welches aber wiederum als Abwehrschild gegen solche Sauerstoffradikale wirkt und für die Regeneration bis auf die Zellebene wichtig ist. Zellstudien zeigen darüber hinaus, dass die oxidative Schädigung der Netzhaut-Zellen auch die Entwicklung der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) vorantreiben könnte. "Allerdings gibt es bis jetzt noch keine Langzeitstudien über die Auswirkungen von Licht mit hohem Blauanteil", räumt der Mediziner ein.

"Sind auf Nah-Infrarot angewiesen"

Alternativ rät der Lichtbiologe dazu, die "Kunstlicht-Höhle" ab und zu bewusst zu verlassen, um Tageslicht zu tanken und abends Glühlampen bzw. die in den Märkten noch erhältlichen, energiesparenderen Halogenlampen zu verwenden. Diese Lichtquellen haben nämlich den Vorteil, dass sie nicht nur im langwelligen, orange-roten sondern auch im unsichtbaren Nah-Infrarot-Bereich strahlen, ähnlich wie die Abendsonne oder die Flamme einer Kerze.

"Bestimmte Sicherungsmechanismen in unserem Köper – wie Regeneration und Selbstheilung von Zellen - sind auf diesen langwelligen Nah-Infrarot-Bereich angewiesen – also darauf, dass zu der Helligkeit auch Wärme hinzukommt", sagt Wunsch. Das zeige sich beispielsweise auch in der Medizin, wo Infrarot-Licht unter anderem zur Wundheilung eingesetzt wird. Dieser Aspekt werde jedoch in der Diskussion um die richtige Beleuchtungstechnik viel zu selten in Betracht gezogen.

Ruth Hutsteiner, science.ORF.at

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