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Bangladesch: Mann schützt sich mti Plastiksack vor dem Regen

Klimawandel: Ein Graben teilt die Welt

Der Klimawandel ist in westlichen Nationen fast jedem ein Begriff. Doch die Bevölkerung in vielen Entwicklungsländern hat davon noch nie etwas gehört, wie eine Umfrage zeigt. Und das, obwohl diese Menschen zum Teil massiv unter dem Klimawandel leiden.

Umfrage 28.07.2015

"Die Menschheit hat der Natur ins Gesicht geschlagen", wie Papst Franziskus zu Beginn des Jahres gesagt hatte. Was genau er damit meint, spezifizierte er dann ein paar Monate später in seiner Umweltenzyklika "Laudato si". Es brauche eine "ökologische Umkehr", heißt es darin. Ansonsten würden die Menschen "Zeugen einer nie dagewesenen klimatischen Veränderung und einer beispiellosen Zerstörung der Ökosysteme". Der kirchliche Weckruf stieß in vielen Institutionen wie den Vereinten Nationen (UNO) auf Zustimmung.

Nicht so aber beim amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Jeb Bush. In politischen Fragen lasse er sich auch vom Papst nichts dreinreden, konterte der Republikaner und katholische Konvertit über die Medien. "Ich glaube, dass es technologische Lösungen für alles gibt, auch für den Klimawandel." Dass Weltbild und Ideologie die Haltung in Umweltfragen beeinflussen, dürfte hinlänglich bekannt sein. In den USA sind etwa die Demokraten deutlich stärker gewillt, den Klimawandel als Problem anzuerkennen. Auch in Europa gibt es ähnliche - wenn auch nicht so starke - Unterschiede zwischen Konservativen und Liberalen.

Klimawandel? Nie gehört ...

Die Studie

"Predictors of public climate change awareness and risk perception around the world" ist am 27. Juli im "Nature Climate Change" erschienen.

Betrachtet man die Meinungslage global, zeigen sich ganz andere Frontlinien. Sie haben vor allem mit Wohlstand, Bildung und geografischer Herkunft zu tun. Forscher um Anthony Leiserowitz werteten nun die "Gallup World Poll", eine Umfrage aus den Jahren 2007 und 2008 in 119 Ländern, aus. Die Daten repräsentieren nach Angaben des Umweltforschers von der Yale University mehr als 90 Prozent der Weltbevölkerung - und offenbaren einen großen Graben zwischen den westlichen wohlhabenden Nationen und den sogenannten Entwicklungsländern.

In Nordamerika, Europa und Japan kennen mehr als 90 Prozent der Bevölkerung das Konzept des Klimawandels. In Ländern wie Ägypten, Bangladesch, Nigeria und Indien indes haben zwei Drittel der Bevölkerung noch nie etwas davon gehört, wie aus der Gollup-Umfrage hervorgeht. Und das, obwohl besonders diese Menschen zum Teil massiv davon betroffen sind. In Bangladesch etwa rauben die immer schlimmer werdenden Überschwemmungen den Menschen das Ackerland und damit ihre Lebensgrundlage. Dass es dafür klimatische Ursachen gibt, ist in dem bettelarmen Küstenstaat schlichtweg nicht bekannt.

Gefahren ungleich verteilt

Laut der Gallup-Umfrage wendete sich das Bild, wenn danach gefragt wurde, ob man den Klimawandel als ernste Bedrohung für sich und seine Familie ansehe. Dabei antworteten Bewohner ärmerer Länder viel eher mit Ja - sofern sie schon vom Klimawandel gehört hatten - als die Befragten aus dem Westen. Was durchaus die Realität abbildet: Denn nur die westlichen Länder sind aufgrund ihres Wohlstandes und ihrer Technologie imstande, sich an den Klimawandel anzupassen.

Die Niederlande aber wären durch ihre geografische Lage von einem Meeresspiegelanstieg ähnlich stark betroffen wie Bangladesch, liegt doch rund ein Viertel des Landes an der Nordsee unter Meeresniveau. Doch die Gefährdung der niederländischen Bevölkerung gilt als gering. Vor allem deshalb, weil man schon seit Jahren in Dämme, Drainagesysteme und "Floating Communities", also schwimmende Gemeinden, investiert, die mit dem Wasserstand mitwandern können.

Klimaschutz: Kostendebatte steht an

Diese Ungleichverteilung von Risiken ist nur durch Hilfsprogramme in den Griff zu bekommen. Das erkannte man mittlerweile auf internationaler Ebene: Die Weltbank etwa veranschlagte vor einiger Zeit 75 bis 100 Milliarden Dollar, die für Klimaanpassungen in den nächsten vier Jahrzehnten notwendig sein werden. In einer ähnlichen Region bewegen sich die Prognosen von Climate Works - die NGO geht davon aus, dass die internationale Staatengemeinschaft 26 bis 77 Milliarden Dollar bis 2030 ausgeben muss, um drohende Gefahren abzuwenden.

Da stellt sich die Frage: Wer wird das bezahlen? "Die Anpassung an das Klima wird sich in den nächsten Jahren als das schwierigste, umstrittenste und in vielerlei Hinsicht auch als das wichtigste Thema bei Klimaverhandlungen erweisen", prognostizierte Tim Wirth, der Präsident der United Nations Foundation, bereits vor sechs Jahren. "Jene, die vom Klimawandel am stärksten betroffen sind, haben den geringsten Einfluss. Das wird noch zu bedeutenden politischen Debatten führen."

Die nächste Debatte ist für Ende des Jahres anberaumt: Im Dezember trifft sich die Staatengemeinschaft zum Klimagipfel in Paris. Ziel der Verhandlungen ist eine Vereinbarung, die das 2020 auslaufende Kyoto-Protokoll ersetzen soll. Diesmal aber, so zumindest die Hoffnung, mit Stimme aller Länder, also inklusive den USA, China und den Entwicklungsländern.

Robert Czepel, science.ORF.at

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