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auf einem Löffel liegt eine Nudel, ein Paradeiser, Basilikum und Sugo

Die Zukunft der Ernährung

Die Weltbevölkerung wächst - und mit ihr der Bedarf an hochwertiger Nahrung. Das ist nicht die einzige Herausforderung, die auf uns zukommt, schreibt die Ernährungswissenschaftlerin Hannelore Daniel in einem Gastbeitrag: "Die Lebensmittel von morgen müssen eine gesündere Lebensführung ermöglichen."

Forum Alpbach 2015 07.08.2015

Ernährung: Quo Vadis

Von Hannelore Daniel

Hannelore Daniel

Hannelore Daniel

Zur Person

Hannelore Daniel erforscht die Grundlagen von Stoffwechselprozessen - vor allem in Hinblick auf Alterung und die Zufuhr von Nährstoffen und nicht-nutritiven Inhaltsstoffen. Ab 1992 war Sie zunächst als Ordinaria an der Universität Gießen tätig und vertritt seit 1998 an der TU-München den Lehrstuhl für Ernährungsphysiologie. Daniel ist Mitglied der Akademie der Wissenschaften Leopoldina.

Zitierte Literatur

[1] "UN 2015 Revision of World Population Prospects", Jul 2015
[2] "Global food demand and the sustainable intensification of agriculture", PNAS Nov 2011
[3] "The Future of food and farming. Challenges and choices for global sustainability", London 2011, Foresight Report
[4] "Climate Change Impacts on Global Food Security", Science Aug 2013
[5] "Leverage points for improving global food security and the environment", Science Jul 2014
[6] "Heat-related mortality risk model for climate change impact projection", EHPM Jan 2014
[7] " Global Burden of Diseases, Injuries, and Risk Factors Study 2013", The Lancet
[8] "Global diets link environmental sustainability and human health", Nature Nov 2014

Seminare beim Forum Alpbach

Im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach leitet Daniel mit tim Benton vom 20. bis 25.8. das Seminar "Globale Ernährungssicherheit und Ernährung". science.ORF.at stellt dieses und weitere Seminare in Form von Gastbeiträgen vor - bisher erschienen:

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Ö1-Hinweise

Eine Reihe von Sendungen begleitet das Europäische Forum Alpbach 2015 in Ö1. Die Technologiegespräche stehen im Mittelpunkt von Beiträgen in den Journalen, in Wissen aktuell, in den Dimensionen und bei der Kinderuni.

Mitglieder des Ö1 Club erhalten beim Europäischen Forum Alpbach eine Ermäßigung von zehn Prozent

Eines der größten Probleme der nächsten Dekaden wird aus globaler Sicht die Bereitstellung einer ausreichenden Menge an Lebensmitteln sein, um die stetig wachsende Weltbevölkerung zu versorgen. So wird nach Prognosen die Bevölkerungszahl von heute 7,3 Mrd. bis 2030 auf 8,5 Mrd. und bis 2050 auf 9,7 Mrd. ansteigen und diese werden zu ca. 70 Prozent in urbanen Zentren leben [1].

Zeitgleich wird der Lebensstandard einer Vielzahl dieser Menschen wachsen, so dass sich der Bedarf an hoch veredelten Lebensmitteln erhöht, die in ihrer Erzeugung gleichzeitig einen höheren Einsatz an Rohstoffen und anderen Ressourcen (u.a. Wasser, Energie) erfordern. So wird bis 2050 ein zusätzlicher Bedarf von 60 bis 110 Prozent der derzeitigen globalen Lebensmittelproduktion prognostiziert [2].

Dies wird vor allem im Sektor der tierischen Lebensmittel und einem entsprechenden Anstieg der Futtermittelproduktion erwartet. Diesem steigenden Bedarf an Rohstoffen stehen auf der Produktionsseite jedoch diverse Engpässe entgegen. So wird sich die Konkurrenz um die Nutzung von Land, Wasser und Energie verschärfen, insbesondere, da vermutlich auch die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen u.a. durch Bodenerosion und die Auswirkungen des Klimawandels abnehmen werden [3-5].

Vom Klimawandel wird nicht nur die Landwirtschaft und Lebensmittelversorgung betroffen sein, sondern es wird auch direkt eine starke Zunahme der Todesfälle in ariden Zonen erwartet, vor allem in Asien [6].

Ziele: Effizienz und Nachhaltigkeit

In vielen Nationen stellt der Lebensmittelsektor mit den verschiedenen Teilgebieten der Erzeugung, Verarbeitung, Verteilung und Vermarktung eine der wichtigsten Wertschöpfungsketten dar. Von ihrer Effizienz und Nachhaltigkeit ist die Ernährung der Weltbevölkerung abhängig, während die Produkt- und Prozessqualität in direkter Beziehung zur menschlichen Gesundheit und zur Lebensqualität stehen.

Um den wachsenden Bedarf an Futter, Lebensmitteln sowie Rohstoffen decken zu können, ist eine erhebliche Steigerung der Ernteerträge notwendig. In diesem Kontext steht die Forschung in den entwickelten Gesellschaften auch in der Verantwortung, Schwellen- und Entwicklungsländern bei der Sicherstellung einer quantitativ und qualitativ ausreichenden Ernährung ihrer Bevölkerung zu unterstützen und auch der Volatilität der Nahrungsmittelpreise entgegenzuwirken.

Dazu sind standortbezogene Analysen der Produktionsbedingungen erforderlich, insbesondere im Kleinbauernsektor der Entwicklungs- und Schwellenländer, da dieser Bereich eine wesentliche Säule der Welternährung darstellt. Nachhaltige Bodennutzung, Bodenqualität und Ökosystemdienstleistungen müssen besser verstanden und gesicherte Erkenntnisse rascher in die Praxis überführt werden.

Die Georessourcen Boden und Wasser sowie die biologische Vielfalt von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen zu erhalten, sind dabei übergeordnete Ziele. Um dies realisieren zu können, werden globale und lokale Strategien benötigt. Die konkreten Herausforderungen an die verschiedenen Staaten werden jedoch – ausgehend von den regionalen Begebenheiten – sehr unterschiedlich sein müssen.

Neue Trends bei Lebensmitteln

Lebensmittelmärkte in entwickelten und gleichermaßen reichen Gesellschaften - wie in Österreich - gliedern sich zum einen in Angebote der Grundversorgung und zum anderen in Spezialangebote mit beträchtlichem Maß an Diversifizierung. Gegenwärtige Markttrends und Innovationen finden sich unter den Stichworten Genuss, Bequemlichkeit und Gesundheit mit bemerkenswerten Entwicklungen bei neuartigen Produkten - zum Beispiel im Rahmen der der veganen und vegetarischen Ernährung sowie bei Lebensmitteln ohne Gluten, Lactose, Fructose oder Zuckerzusatz.

Nach wie vor gilt aber, dass Adipositas und ihre assoziierter Erkrankungen wie Diabetes, Herz-/Kreislauferkrankungen und Tumorerkrankungen die maßgeblichen Gesundheitsprobleme in entwickelten Gesellschaften darstellen [7,8]. Sie resultieren aus Änderungen im Lebensstil mit hochkalorischer Ernährung bei gleichzeitigem Bewegungsmangel.

Gesünder essen, gesünder leben

Die aus diesen lebensstilbedingten Erkrankungen erwachsenden Kosten belasten die öffentlichen Gesundheitssysteme bis an ihre Grenzen und beeinflussen darüber hinaus die Lebensqualität und Arbeitsproduktivität. Lebensmittel von morgen müssen daher dem Konsumenten einen gesündere Lebensführung ermöglichen; aber auch seinen Erwartungen und Gewohnheiten gerecht werden.

Insgesamt müssen jedoch alle Lebensbereiche (d.h., nicht nur der Lebensmittelsektor) so gestaltet werden, dass sie eine gesündere Lebensweise ermöglichen oder durch Steuerungsinstrumente (z.B. Kaloriensteuer) herbeiführen.

Die Anforderungen, die sich daraus für alle relevanten Bereiche der Nahrungsversorgung stellen, sind:

  • die für die Lebensmittelproduktion verfügbaren biologischen Ressourcen müssen langfristig gesichert und dem Bedarf angepasst werden. Dies schließt eine Steigerung der Produktivität ein; allerdings müssen dabei nachhaltigere Verfahren zum Einsatz kommen.
  • die Wertschöpfungsketten – vom Rohstoff bis zum Verzehr der Lebensmittels – sind im Sinne der Umwelt, der Nachhaltigkeit, der Ökonomie und des Verbraucherinteresses zu optimieren. Dies umfasst auch die Minderung oder Vermeidung von Lebensmittelverlusten und die Einschränkung des Netto-Verbrauchs von Energie und Wasser.
  • Die Produkte müssen den (vor allem gesundheitlichen) Bedürfnissen verschiedener Konsumentengruppen gerecht werden. Dies bedeutet u.a. Biofortifizierung, also die Anreciherung von Vitaminen und Mineralstoffen durch Züchtung oder Gentechnik; oder spezifische Produkte ("medical food") - z.B. für Senioren mit Demenz oder anderen Erkrankungen.
  • Wir müssen den Verbraucher-Dialog über die Lebensmittelproduktion im Kontext der Bioökonomie und der globalen Anforderungen führen und die Konsumenten frühzeitig in die technischen Entwicklungen einzubinden.

Im Spannungsbogen von Konsumentenerwartungen und nachhaltiger Förderung eines umwelt- und gesundheitsbewussten Konsumverhaltens stellt das Themenfeld der globalen Ernährungssicherung eine große Herausforderung für die Kommunikation dar, die in neuer Qualität eine konzertierte Aktion der Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft einfordert.

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