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Ein schnell fahrendes Auto

Energiewende braucht Öko-Steuersystem

Wenn die Energiewende gelingen soll, reicht es nicht, fossile Energieträger durch erneuerbare zu ersetzen, sagt die Umweltökonomin Angela Köppl. Ihre Forderung: "Wir müssen das gesamte Steuersystem ökologisieren."

Technologiegespräche Alpbach 10.08.2015

Maximal zwei Grad wärmer als vor der Industriellen Revolution – das ist der von Wissenschaftlern errechnete Richtwert, an dem sich die weltweite Klimapolitik orientieren soll. Gelänge es, die Zwei-Grad-Grenze einzuhalten, blieben die Folgen des Klimawandels in einem zumindest "handhabbaren" Rahmen.

Um dieses Ziel zu erreichen, verschreiben sich immer mehr Nationen einer Energiewende – dem Ersatz fossiler Energieträger durch erneuerbare, wie beispielsweise Wind und Sonne. Das allein sei aber zu kurz gedacht, erklärt Angela Köppl vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung im Gespräch mit science.ORF.at: "Es ist wichtig, sich im ersten Schritt darüber Gedanken zu machen, wie unser gesamtes Energiesystem überhaupt funktioniert und wie man dieses effektiver gestalten könnte."

Angela Köppl

Angela Köppl

Zur Person:

Angela Köppl ist seit 1992 Referentin für Umweltökonomie am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung. Davor studierte sie Volkswirtschaft an der Universität Wien, wo sie 1991 promovierte. Zudem war sie zwischen 1996 und 2004 Gastlektorin an der Universität Graz sowie der Wirtschaftsuniversität Wien und forschte 2002 am MIT am Center for Energy & Environmental Policy Research sowie im Rahmen des MIT Joint Program on the Science and Policy of Global Change. Zu ihren Forschungsthemen zählen heute unter anderem die Europäische und österreichische Energie- und Klimapolitik sowie die Umwelt- und Energieökonomie.

Technologiegespräche Alpbach:

Von 27. bis 29. August finden im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach die Technologiegespräche statt, organisiert vom Austrian Institute of Technology (AIT) und der Ö1-Wissenschaftsredaktion. Das Thema heuer lautet "UnGleichheit". Davor erscheinen in science.ORF.at Interviews mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die bei den Technologiegesprächen vortragen oder moderieren. Angela Köppel wird am Arbeitskreis "2015: Das Ende der Energiewende" teilnehmen.

Links:

Ö1 Sendungshinweis:

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 10.8., 13:55 Uhr.

Fokus auf Energiedienstleistung

Wenn es nach der Wissenschaftlerin geht, sollte der Fokus auf Energiedienstleistungen gelegt werden - darauf also, wofür wir Energie brauchen und was wir von Energie erwarten, wie zum Beispiel das ganze Jahr über einen wohltemperierten Raum zu haben: "Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder ich baue ein thermisch schlechtes Gebäude und benötige sehr viele Energieflüsse oder ich habe eine gute thermische Gebäudehülle und kann mit weniger Energie die gleiche Energiedienstleistung zur Verfügung stellen", so Köppl.

Das nötige Know-How wäre grundsätzlich vorhanden, um Gebäude so zu bauen, dass sie mit wenig Energie auskommen – wie beispielsweise das Bürohaus 2226 in Lustenau zeigt. Dieses Bürogebäude verzichtet aufgrund seiner zweischaligen Ziegelwandhülle komplett auf Heizung, Lüftung und Kühlung und gilt damit als Vorzeigeprojekt. "Es gibt zwar vereinzelt tolle Beispiele, es muss aber auch in der Breite umgesetzt werden. Hier fehlt aber oftmals die nötige Dynamik, die Investitionen dorthin fließen zu lassen", kritisiert die Energieexpertin.

"Kontraproduktive Subventionen"

Eine ebenso wichtige Rolle spielen Mobilität und Raumplanung. Durch eine starke Zersiedelung werden die Wege in die Arbeit, zum Einkaufen und zu anderen Aktivitäten lang. Das erhöht den Energieverbrauch. "Eine gut durchdachte Raumstruktur ist deshalb entscheidend", so Köppl.

Doch den raumplanerischen Maßnahmen, um die Energieeffizienz von Siedlungen und Gemeinden zu steigern und beispielsweise das Angebot öffentlicher Verkehrsmittel zu verbessern, treten oft "kontraproduktiven Subventionen" entgegen, wie Köppl es ausdrückt. Als Beispiel nennt die Wifo-Expertin den bei der letzten Steuerreform erhöhten Pendlerzuschlag: "Eine solche Förderung bevorzugt momentan klar den motorisierten Individualverkehr - das ist für die Reduktion von Treibhausgasen einfach nicht zielführend."

Köppl weist auch darauf hin, dass die Energiewende in der Finanzpolitik noch kaum eine Rolle spielt – wie die letzte Steuerreform für 2016 zeigte. Außer bei der Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes von zehn auf 13 Prozent für Tickets bei Inlandsflügen sowie bei der vorsichtigen Einschränkung des Dienstwagenprivilegs spiegeln sich kaum ökologische Überlegungen wider.

Ökologisierung des Abgabensystems

Derweil gäbe es einige Möglichkeiten, das Abgabensystem sinnvoll zu "ökologisieren", meint die Wifo-Expertin, beispielsweise indem Steuersätze die CO2-Intensität von Energieträgern widerspiegeln. "Eine allgemeine CO2-Steuer hätte den Vorteil, dass jene, die am meisten Emissionen verursachen, auch die höchsten Steuersätze hätten."

Beim Kauf eines Kraftfahrzeuges wird eine CO2-bezogene Normverbrauchsabgabe (NoVA) geleistet. Je mehr CO2 ein Pkw ausstößt, desto höher ist sie - Elektrofahrzeuge sind von ihr befreit. "Eine solche Abgabe ist sehr sinnvoll, dennoch besteht Spielraum nach oben, damit die Emissionsintensität beim Autokauf nicht mehr übersehen werden kann", betont Köppl.

Ebenso wäre es eine Möglichkeit, die Abgaben für die Benützung der Straßen zu erhöhen. "Einerseits könnte man die Lkw-Maut auch abseits der Autobahnen und Schnellstraßen einführen oder auch eine flexible Pkw-Maut - das heißt, je nachdem, zu welchen Tageszeiten bestimmte Straßenabschnitte besonders stark genutzt werden, wäre dann ein höherer Preis zu verlangen", schlägt Köppl vor.

Keine Schnellschüsse

Damit die Besteuerung von CO2-Emissionen bzw. des Energieverbrauchs letztlich eine sinnvolle Lenkungswirkung haben, sei es wichtig, keine einmaligen Schnellschüsse im Steuersystem zu machen, erklärt die Umweltökonomin: "Es geht darum, das gesamte Abgabensystem langfristig umzustrukturieren, was zugleich Investitionen in energieeffiziente Strukturen notwendig macht."

Das heißt, die Besteuerung des Energieverbrauchs müsste beispielsweise auch mit Sanierungsmaßnahmen der Gebäude einhergehen. "So etwas geht natürlich nicht von heute auf morgen. Die Energiewende ist aber letztlich ein Gemeinschaftsziel, das auf allen politischen Ebenen und von allen Ministerien mitgedacht werden muss - sonst wird es schwierig, das Ziel zu erreichen."

Ruth Hutsteiner, science.ORF.at

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