"Das stinkt"
"Something smells fishy", sagen Briten, wenn sie misstrauisch sind oder ihnen etwas verdächtig vorkommt. Im Deutschen gibt es vergleichbare Redewendungen, aber ohne Fisch: "Die Sache stinkt gewaltig!" oder "Das stinkt ja Kilometer gegen den Wind!".
Die Studie:
"Something smells fishy: Olfactory suspicion cues improve performance on the Moses illusion and Wason rule discovery task" von David S. Lee et al. ist im Juli 2015 im "Journal of Experimental Social Psychology" erschienen .
Was der arme Fisch mit dem Misstrauen zu tun hat, ist nicht ganz klar. Möglicherweise liegt es daran, dass nicht mehr ganz frischer Fisch noch tadellos aussehen kann, aber bereits streng zu riechen beginnt. Wie auch immer - Fischgeruch dürfte auf jeden Fall Misstrauen bzw. gesteigerte Aufmerksamkeit erwecken, wie die aktuelle Studie der Forscher um David S. Lee von der University of Michigan nahelegt.
Schon frühere Untersuchungen haben sich mit der Auswirkung von fischigem Geruch im sozialen Zusammenhang beschäftigt. Demnach schwächt dieser das Vertrauen ins Gegenüber. Die neue Studie zeigt, dass die Wirkung auch unabhängig von anderen Personen existiert, nämlich beim Lösen abstrakter Aufgaben.
"Moses" oder "Noah"?
In ihrer ersten Versuchsreihe mussten die Studienteilnehmer Fragen beantworten, die mitunter in die Irre führen - als "Moses Illusion" bezeichnen Psychologen solche Aufgaben. Die Liste enthielt ganz unmissverständliche Fragestellungen wie "Welches Land ist berühmt für seine Kuckucksuhren, Schokolade, Banken und Taschenmesser?" (Antwort: "Schweiz"), aber auch Fragen dieser Art: "Wie viele Tiere von jeder Art nahm Moses mit auf die Arche?".
Die Hälfte der Teilnehmer war während der Aufgabe subtilem Fischgeruch ausgesetzt; die Forscher hatten ein mit Fischöl getränktes Blatt Papier unter ihren Schreibtischen platziert. Und genau diese Probanden schnitten im Test viel besser ab: Ganze 40 Prozent erkannten, dass irgendetwas mit der zweiten Frage nicht stimmte und wählten die "weiß nicht"-Option. Ohne Fischgeruch tappen 80 Prozent in die Falle, hatten also nicht registriert, dass hier fälschlicherweise von Moses und nicht von Noah die Rede war.
Wie die Forscher erklären, sind die Teilnehmer durch den Fischgeruch nicht grundsätzlich paranoid geworden, denn die "Schweiz"-Frage beantworteten sie unbeeindruckt korrekt.
Fisch für kritisches Denken?
Beim zweiten Experiment ging es um Zahlenreihen, die auf Denkaufgaben des Psychologen Peter Wason beruhen. Um sie zu lösen - also die Regel hinter der Reihe zu finden -, ist es notwendig, auch Gegenhypothesen zu testen. Die meisten Menschen tun das nicht und bleiben einfach bei ihrer ersten Annahme, wenn sich keine Widersprüche ergeben. Unter normalen Bedingungen stellen nur 28 Prozent eine Gegenhypothese auf.
Das aktuelle Experiment hingegen zeigte: Unter dem Einfluss von Fischgeruch ist es fast die Hälfte. Die Studienteilnehmer waren damit insgesamt deutlich erfolgreicher als die Kontrollgruppe und konnten die Regeln hinter den Reihen identifizieren.
Der Schluss der Autoren: Fischgeruch mag zwar unangenehm sein, sei aber einer klaren und kritischen Denkweise durchaus förderlich; zumindest so lange er uns nicht direkt bewusst ist. Offenbar nehmen wir unter diesem Einfluss nicht alles für bare Münze, das hilft bei schwierigen und irreführenden Aufgaben. Die Forscher verraten allerdings nicht, wie sich das in der Praxis umsetzen ließe - vielleicht wäre subtiler Fischgeruch im Großraumbüro eine Möglichkeit?
Eva Obermüller, science.ORF.at