Die "Graffiti" passen zu geochemischen Analysen, die die Forscher an der gleichen Stelle gemacht haben. Es sei das erste Mal, dass historische und geologische Belege derselben Höhle verglichen werden konnten, berichtet ein Team um Liangcheng Tan von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften.
Stätte zum Wasserholen und zum Beten
Die Dayu-Höhle liegt im Quin-Ling-Gebirgszug in der Mitte der Volksrepublik China. An ihren Wänden haben sich im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Chinesen per Inschrift verewigt. Sieben "Graffiti" betreffen lokale Dürreperioden: je zwei aus dem 16. und 18. Jahrhundert sowie drei aus dem 19. Jahrhundert.
Ein Beispiel aus dem Jahr 1707: "Am achten Juni, im 46. Jahr der Regentschaft des Kaisers Kangxi, in der Quing-Dynastie, kam der Gouverneur des Bezirks Ningxiang in diese Höhle, um zu beten." Eine Praxis, die sich über die Jahrhunderte wiederholte, denn die Höhle galt als kultischer Ort. Sie hatte aber auch eine profane Bedeutung in Zeiten von Dürren: Die lokale Bevölkerung kam hier auch her, um Wasser zu holen.
Die Studie:
"A Chinese cave links climate change, social impacts, and human adaptation over the last 500 years" von Liangcheng Tan und Kollegen ist am 13. August 2015 in der Fachzeitschrift "Scientific Reports" erschienen.
Ö1 Sendungshinweis:
Darüber berichtet auch Wissen aktuell am 14.8. um 13:55.

Liangcheng Tan
Geochemische Untersuchungen
Menschliche Überbleibsel gebe es auch in vielen anderen Höhlen, sagt Liangcheng Tan in einer Aussendung. Mit genauem Datum versehene Inschriften über einen derartig langen Zeitraum seien aber einzigartig. Ebenso, dass die Forscher eine direkte Verbindung mit geochemischen Analysen herstellen konnten.
Dazu untersuchten sie die Ablagerungen der Tropfsteine in der Höhle, die wie Jahresringe bei Bäumen Auskunft über Klimaveränderungen geben. Die Forscher fanden heraus, dass die Konzentration bestimmter chemischer Elemente direkt mit den beschriebenen Dürreperioden zusammenhängen. Höhere Anteile etwa von Sauerstoff- oder Kohlenstoff-Isotopen lassen auf weniger Regenfälle schließen.
Soziale Konflikte bei Wassermangel
Das Klima rund um den Quin-Ling-Gebirgszug ist in erster Linie vom Monsun geprägt. 70 Prozent der jährlichen Regenfälle gehen zwischen Juni und Oktober nieder. Setzen die Niederschläge zu früh oder zu spät ein – oder sind sie zu kurz –, dann hat das gravierende Folgen für die Ökosysteme der Umgebung. Aber auch für die Gesellschaft, die in ihnen lebt.

Liangcheng Tan
"Wenn die Leute nicht genug Wasser haben, kommt es zu Konflikten", sagt der Erdwissenschaftler Sebastian Breitenbach von der Universität Cambridge. "Funde in Höhlen und an Seen haben mögliche Zusammenhänge zwischen klimatischen Veränderungen und dem Untergang mehrerer chinesischer Dynastien in den vergangenen 1.800 Jahren gezeigt. Darunter die Tang-, Yuan- und Ming-Dynastie."
Historische Dokumente würden etwa bei der - in der Dayu-Höhle verewigten - Trockenheit von 1528 von schweren sozialen Problemen sprechen. Ihren Folgen waren eine große Hungersnot und sogar Fälle von Kannibalismus in der Region. Eine Dürreperiode in den 1890er Jahren habe ebenfalls zu Unterernährung geführt und zu sozialen Aufständen in den Jahren danach.
Keine gute Voraussage für die Zukunft
Mit ihrer Arbeit haben die Forscher aber nicht nur ein halbes Jahrtausend zurückgeschaut, sie können damit nach Eigenangaben auch etwas über die Zukunft aussagen. Laut einem Modell, das sie mit den historischen und geochemischen Daten gespeist haben, wird es in der Quin-Ling-Region in den späten 2030er Jahren wieder zu einer Dürreperiode kommen.
Rechnet man die allgemeine Klimaerwärmung mit ein, könnte diese Trockenphase weit heftiger ausfallen als in der Vergangenheit. Und das könnte dramatische Konsequenzen haben – nicht nur für die lokale Bevölkerung, sondern auch für den Großen Panda, der in dieser Gegend beheimatet ist.
Lukas Wieselberg, science.ORF.at