"Die borealen Wälder könnten in diesem Jahrhundert an einem Wendepunkt angelangen", erklärt einer der Autoren, Anatoly Shvidenko vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien. Es könne nämlich passieren, dass sie vom Netto-CO2-Speicher zu einer bedeutenden Quelle des Treibhausgases werden.
Die Studie in "Science":
Boreal forest health and global change" von S. Gauthier et al., erschienen am 21. August 2015.
Ö1 Sendungshinweis:
Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 21.8., 13:55 Uhr.
Riesiger CO2-Speicher
Sie erstrecken sich über die nördlichsten Regionen von Kanada, Russland, Alaska und Skandinavien. Über diesen Nadelwäldern herrscht für mehr als das halbe Jahr Väterchen Frost. Sie spielen für das globale Klima eine große Rolle, weil sie enorme Mengen an CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen können. Nach Schätzungen speichern sie mindestens 32 Prozent des weltweit vorhandenen Kohlenstoffes, und zwar nicht nur in den Nadelbäumen, sondern etwa auch in klima-sensiblen Dauerfrostböden. Außerdem beherbergen sie eine Fülle von Pflanzen-, Tier und Pilzarten, und tragen etwa ein Drittel zu den weltweiten Holzexporten bei.

Yan Boulnager, Science
Diese Wälder sind jedoch eines der vom Klimawandel am meisten betroffenen Ökosysteme auf der Erde, so die Wissenschaftler. Bei einer globalen Erwärmung um vier Grad Celsius würde es dort sogar um bis zu elf Grad wärmer. Die Klimazonen verschieben sich laut Studien in diesem Bereich zehnmal schneller Richtung Norden als die Baum-Populationen wandern können. Schon jetzt würden die wärmeren Temperaturen und stärkere Trockenheit vermutlich zum vermehrten Ausbrechen von Waldbränden und stärkeren Insektenbefall führen. Die zunehmende Industrialisierung und Verschmutzung von Boden, Wasser und Luft verstärken den Stress für diese Wälder, schrieben sie in dem Artikel.
Mehr Schutz und Aufmerksamkeit
Der Wald drohe auszuhagern, wenn die Böden massiv Nährstoffe verlieren. Die Wälder könnten zu Gras- und Buschland verkommen. Taut der Dauerfrostboden auf, betrifft das nicht nur den globalen Wasserhaushalt, es würden auch riesige Mengen der Treibhausgase CO2 und Methan frei, warnen sie.
Die Forscher plädieren in dem Artikel dafür, dass die internationale Politik dem borealen Wald mehr Aufmerksamkeit und Schutz widmet. Sie schlagen etwa lokale Aufforstungen vor, fordern gut verteilte Schutzgebiete, ein aufmerksames Beobachten von möglichen Veränderungen und dass die Waldbewirtschaftung mehr Augenmerk auf größere Vielfalt bei den Bäumen legt.
science.ORF.at/APA