Schon gegen Ende der winterlichen Grippezeit in der nördlichen Hemisphäre entscheidet die Weltgesundheitsorganisation (WHO), welche Virenstämme die Impfstoffe für die nächste Saison beinhalten. Ein weltweites Netzwerk an Labors meldet, welche Varianten gerade zirkulieren, und danach richtet sich die Produktion.
Die Studien:
"A stable trimeric influenza hemagglutinin stem as a broadly protective immunogen" von Antonietta Impagliazzo und Kollegen ist am 24. August in "Science" erschienen, "Hemagglutinin-stem nanoparticles generate heterosubtypic influenza protection" von Gary Nabel und Kollegen am gleichen Tag in "Nature Medicine".
Ö1 Sendungshinweis:
Über die Grippeimpfung berichtet auch "Wissen Aktuell" am 25. August 2015 um 13.55 Uhr.
Das funktioniert im Großen und Ganzen auch gut. Aber da sich die Influenza-Viren ständig weiterentwickeln, kann es mit Ausbruch der Grippewellen auch zu unliebsamen Überraschungen kommen – der Schutz ist dann schlechter als erhofft.
Deshalb sucht die Pharmazie seit Langem nach einem Impfstoff, der gleichzeitig gegen mehrere Grippestämme erfolgreich ist. Zwei aktuelle Studien haben das wieder versucht und den gleichen Ansatz gewählt. Hintergrund ist die Struktur des Influenza-Virus: Auf seiner Oberfläche befindet sich das Molekül Hämagglutinin (HA). Das Protein erlaubt es an jene Zellen zu binden, die das Virus infiziert. Der "Kopf" von HA ist sehr variabel, er mutiert sehr rasch, und daraus resultieren die vielen Virenvarianten. Der HA-Stamm hingegen ist relativ stabil. Und genau da setzen die beiden neuen Studien an.
Wirkt bei Mäusen, Frettchen und Makaken
Barney Graham von den amerikanischen National Institutes of Health und seine Kollegen stellten einen Impfstoff her, der Nanopartikel an Stellen des HA-Stamms bindet. Die kleinen Teilchen plus Hilfsstoffe stimulieren die Antikörper des Immunsystems. Und das ließ Mäuse überleben, denen die Forscher tödliche Mengen des Vogelgrippevirus H5N1 verabreicht hatten. Auch bei Frettchen hat die Methode funktioniert, wenn auch etwas weniger stark als bei den Mäusen. Frettchen gelten als ideales Tiermodell, da die Struktur der Zellen, die die Viren angreifen, jenen von Menschen besonders ähnlich sind.
Auch das Team um Antonietta Impagliazzo vom Crucell Vaccine Institute im niederländischen Leiden verwendete einen Impfstoff, der den HA-Stamm angreift. Die Forscher "köpften" quasi das Hämagglutinin und veränderten den übrig gebliebenen Stamm so, dass die Antikörper besser an ihn andocken können. Eine der Varianten des Impfstoffs bot laut den Forschern Mäusen einen vollständigen Schutz sowohl gegen H5N1 als auch gegen den "Schweinegrippevirus" H1N1. Bei Makaken war die Wirkung weniger stark, sie zeigten aber deutlich weniger Grippesymptome als ungeimpfte Artgenossen.
Beide Arbeiten belegen, dass es grundsätzlich möglich ist, einen Universalimpfstoff gegen Grippe herzustellen, der auf den Stamm des Virus zielt. Bis die Methode soweit entwickelt ist, dass sie auch bei Menschen eingesetzt werden kann, wird es aber noch Jahre dauern.
Lukas Wieselberg, science.ORF.at