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Eine Hand füllt aus einer Pipette Flüssigkeit in eine andere

"Licensing": Erfolgsrezept für Erfindungen

Am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston sind Wirtschaft und Forschung deutlich stärker verknüpft als vielerorts in Europa. Ein eigenes "Technology Licensing Office" (TLO) hilft, dass Ideen marktfähig werden. Profit steht dabei nicht unbedingt im Vordergrund. Die Leiterin des TLO, Lita Nelsen, erklärt warum.

Technologiegespräche Alpbach 28.08.2015

Das MIT ist eine der renommiertesten Tech-Unis der Welt. Im vergangenen Jahr wurden dort fast 800 Erfindungen vorgestellt, 300 Patente eingereicht, über hundert Lizenzen an Firmen vergeben, wovon vom TLO 28 an neu gegründete "Spin-Offs" vergeben wurden. Also an Start-Up-Unternehmen zum Beispiel von Absolventen, die mit der Forschung noch am Anfang stehen und noch nicht produzieren.

Ziel ist es, die Forschung bis zur Produktreife voranzutreiben, um schließlich mithilfe größerer Firmen zu produzieren. Einigen Spin-Offs gelingt das auch. Bekannte Beispiele sind der 100-Dollar-Laptop oder günstige Systeme zur Wassersäuberung und -aufbereitung.

Der Lizensierungsprozess

Lita Nelson in Alpbach

ORF/Hans Leitner

Zur Person

Lita Nelsen ist seit 1992 die Leiterin des Technology Licensing Offices, das maßgeblich daran beteiligt ist, dass viele Erfindungen und Entwicklungen des MIT wirtschaftlich erfolgreich sind.

Technologiegespräche in Alpbach:

Von 27. bis 29. August finden im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach die Technologiegespräche statt, organisiert vom Austrian Institute of Technology (AIT) und der Ö1-Wissenschaftsredaktion . Das Thema heuer lautet "UnGleichheit". Davor sind in science.ORF.at Interviews mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die bei den Technologiegesprächen vortragen oder moderieren.

Links:

Ö1 Hinweise:

Eine Reihe von Sendungen begleitet das Europäische Forum Alpbach 2015 in Ö1. Die Technologiegespräche stehen im Mittelpunkt von Beiträgen in den Journalen, in Wissen aktuell, in den Dimensionen und bei der Kinderuni.

Bei diesen Prozessen spielt das TLO eine tragende Rolle und ist ein Teil des "unternehmerischen Ökosystems" des MIT. Von der Idee bis zur Start-Up-Gründung bzw. der Lizenzvergabe und Produktion braucht es unterschiedlich lange, wie die Leiterin des TLO gegenüber science.ORF.at erklärt.

"Wenn jemand schon mit vielen Daten zu uns kommt und kurz vor der Veröffentlichung steht, dauert es nur kurz, bis wir zunächst ein Patent einreichen können. Die Lizensierung geschieht meist noch während der Patentprüfung", erklärt Nelsen.

Der Lizensierungsprozess nimmt dann meist nur wenige Wochen in Anspruch, jedoch komme es auch darauf an, wie lange die Anwälte der Lizenznehmer brauchen. Unterm Strich kann es – je nach Projekt – von drei Monaten bis ungefähr zwei Jahre dauern.

Spin-Offs: Kaum große Investoren

Das MIT ist bei der Finanzierung der Forschung von Drittmitteln abhängig – etwa ein Fünftel der Forschung am MIT wird dadurch finanziert. Diese finanziellen Mittel kommen meist von großen Unternehmen, jedoch dürfen die Firmen keine konkreten Projekte, Fakultäten oder Labors damit fördern. Die Verteilung der Mittel an Fakultäten und Labors unterliegt der Uni-Verwaltung.

Ganz anders verhält es sich bei den Investments in die so genannten Spin-Off-Firmen. Diese Start-Ups arbeiten mit den Lizenzen des MIT und sind ebenso abhängig von Investoren. Doch laut Nielsen sind es hier keine großen Unternehmen, die investieren, sondern kleinere Investoren aus der Umgebung.

"Es ist auch fast unmöglich, Lizenzen von neuen Erfindungen an große Unternehmen zu geben, weil diese nur kurzfristig denken und planen", so Nelsen. Der Grund dafür sei laut Nelsen der Einfluss des Finanzmarkts.

Vom Projekt zum Produkt

Dass geistiges Eigentum der Erfinder geschützt ist und bleibt, ist für die Leiterin des TLO besonders wichtig. Dieser Schutz, und damit auch die "akademische Freiheit", an den Erfindungen weiter zu forschen, sollen durch Patente garantiert werden. Es gehe dabei darum, "den Deal fair abzuwickeln" und nicht "den besten Deal zu bekommen", fasst Nelsen das Modell zusammen.

Besonders im Bereich der Neurowissenschaften habe man laut Nelsen in den vergangenen Jahren enorm viel vorantreiben können und Entdeckungen gemacht, an denen auch das MIT Media Lab beteiligt war. "Man beginnt nun wirklich zu verstehen, was im Gehirn passiert", so Nelsen. In den letzten dreißig Jahren habe es große Fortschritte im Bereich von bildgebenden Verfahren gegeben. Diese Entwicklungen kombiniert mit den Erkenntnissen aus Genetik und Epigenetik hätten dazu geführt, dass der Kopf nicht mehr nur eine menschliche 'Black Box' ist.

"Wir können jetzt in den Kopf hineinsehen – im chemischen und im wortwörtlichen Sinn", sagt Nelsen. Besonders der Ursache von Alzheimer und Autismus will man auf den Grund gehen. Von einem fertigen Produkt könne man hier jedoch noch nicht sprechen.

Profit nicht im Vordergrund

Bei all diesen Projekten stehe auch nicht der finanzielle Profit im Vordergrund. "Impact, not Income" lautet eine weitere Devise Nelsens. Positive Auswirkungen auf die Gesellschaft seien wichtiger als gute Umsatzzahlen oder hohe Gewinne. Zudem befürwortet sie die "Kultur des Scheiterns": "Man muss die Leute ermutigen, intelligente Risiken einzugehen. Scheitern ist eine Lernerfahrung, und nichts wofür man sich schämen muss", glaubt Nelsen.

Diese "Kultur des Scheiterns" und das gute Zusammenspiel zwischen Wirtschaft und universitärer Forschung wirken aus europäischer Perspektive ungewöhnlich. Der Erfolg dieses Licensing-Modells ist schließlich auch das Ergebnis einer jahrelangen "Symbiose" zwischen der Universität und Unternehmen ihrer Umgebung. Unternehmen, Investoren und Forschung hätten sich parallel zueinander entwickelt und voneinander profitiert.

Trends, dass auch in Europa Wirtschaft und universitäre Forschung näher zusammenrücken, sind erkennbar – wie etwa die Zusammenlegung des Wissenschafts- und des Wirtschaftsministeriums in Österreich. Eine Entwicklung, die Lita Nelsen nachvollziehen kann, denn: "Technologie verändert die Wirtschaft."

Lukas Lottersberger, science.ORF.at

Mehr über die Technologiegespräche 2015: