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Eine Banane trägt eine schwarze Sonnenbrille und Kopfhörer

Lernen mit einem "elektrischen Bananenklavier"

Die Digitalisierung in den Klassenzimmern ist nicht aufzuhalten. Immer mehr Schülerinnen und Schüler besitzen bereits im Volksschulalter ein Smartphone. Und auch die Lehrer und Lehrerinnen setzen vermehrt auf digitale Medien - die meisten allerdings nicht so kreativ wie ein Wiener Lehrer mit seinem "elektrischen Bananenklavier".

Technologiegespräche Alpbach 31.08.2015

"Ja, bei uns haben auch schon einige Kinder ein Smartphone", sagt Harry Axmann, Lehrer in der Volksschule Dopschstraße in Wien-Floridsdorf. Er ist ein Verfechter des virtuellen Klassenzimmers und hat ein klares Ziel: "Wenn ich eine Möglichkeit sehe, IT in den Schulalltag einzubauen, dann mache ich das auch. Da bin ich ständig am Tüfteln."

Im Rahmen der Technologiegespräche des Forums Alpbach zeigt er auch Beispiele aus der Praxis. Etwa sein Bananenklavier - fünf Bananen, die durch eine Leiterplatte mit einem Laptop verbunden werden und so den kreativen Umgang von Kindern mit Musik fördern.

Sein Credo: "Die Kinder sollen aktiv werden. Sie sollen eigene Ideen einbringen und die Technik zur Umsetzung nutzen." So hätten seine Volksschüler zum Beispiel mit einem Tabletcomputer und einem einfachen Schnittprogramm auch innerhalb kürzester Zeit eigene Stop-Motion-Filme erstellt.

Technologiegespräche in Alpbach:

Von 27. bis 29. August fanden im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach die Technologiegespräche statt, organisiert vom Austrian Institute of Technology (AIT) und der Ö1-Wissenschaftsredaktion . Das Thema heuer lautete "UnGleichheit". In science.ORF.at sind Interviews mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die bei den Technologiegesprächen vortrugen oder moderierten, zu lesen.

Links:

Ö1-Hinweise:

Eine Reihe von Sendungen begleitet das Europäische Forum Alpbach 2015 in Ö1. Die Technologiegespräche stehen im Mittelpunkt von Beiträgen in den Journalen, in Wissen aktuell, in den Dimensionen und bei der Kinderuni.

Das elektrische Bananenklavier

Harry Axmann

Das elektrische Bananenklavier

Lehrer sind gefordert

Heidi Schelhowe, Informatikerin an der Universität Bremen, sieht die Entwicklung der digitalen Medien im Bereich der Bildung differenzierter. Laut der Uniprofessorin gibt es auch Studien, die zeigen, dass Schüler die Inhalte durch eine interaktive Darstellung nicht so gut verstanden wie beim klassischen Lernen mit einem Buch. Für Schelhowe sind daher auch die Lehrer gefordert, digitale Medien zielgerichteter einzusetzen. Einfach ein YouTube-Video vorzuspielen sei keine Form virtuellen Lernens.

Gymnasium Zell am See als Vorreiter

"Zunächst waren Computer nur Objekte zum Mitschreiben. Der Gewinn daran war für uns als Lehrer nicht wirklich festzustellen", sagt Gabriele Jauck, AHS-Lehrerin in Zell am See. Auch sie ist der Meinung, dass es bei digitalem Lernen nicht mit einem Videoclip aus dem Internet getan sei. Vor vier Jahren wurde an ihrer Schule daher ein Pilotprojekt gestartet. "Wir haben in der Schule Raum geschaffen, wo sich Schüler ihren Platz zum Lernen selbst suchen können", schildert Jauck den drastischen Umbau an ihrer Schule.

In der Unterstufe gibt es nun keine 50-Minuten Einheiten mehr und auch kein starres Konzept, was den Stundenplan betrifft. Es wird mit Unterstützung von Smartphones, Tablets, Laptops oder PCs gearbeitet. "Jeder Schüler hat sein Gerät mit in die Schule gebracht. Manche haben ein Tablet, andere ein Standgerät. Darauf arbeiten wir dann", erklärt die AHS-Lehrerin.

An der Schule gibt es Projekttage, an denen fächerübergreifend gearbeitet wird. So hätten Schülerinnen und Schüler einmal einen Märchenschwerpunkt gehabt. In einem Onlineblog sind im Zeichenunterricht Bilder aus Märchenszenen entstanden. Im Fach Deutsch wurden später Werbefilme für fiktive Märchenprodukte gedreht und via Videofile hochgeladen.

Der digitale Lehrer

Aber nicht nur die Schülerinnen und Schüler sind am Gymnasium Zell am See zur digitalen Arbeit verpflichtet. Die Lehrer und Lehrerinnen helfen durch kurze Videoclips, den Lernstoff zu festigen. Wird etwa ein Beispiel in Mathematik von einem Schüler nicht verstanden, bekommt er von seinem Lehrer ein kurzes Erklärvideo nach Hause auf sein Smartphone oder Tablet geschickt. Haben mehrere Schüler Probleme, den Stoff zu verstehen, wird das Video zusätzlich auf den Schulblog gestellt.

"Technologie bietet die Chance, losgelöst vom einzelnen Schulbuch, unabhängig vom eigenen Lerntempo, das individuelle Potenzial der Schülerinnen und Schüler voll auszuschöpfen", sagt Jauck. Die AHS-Lehrerin sieht nicht nur einen Vorteil in puncto Motivation der Schüler, sondern auch mehr Interesse für spezielle Inhalte. "Vor allem das mathematisch, naturwissenschaftliche Interesse von Mädchen kann wesentlich erhöht werden", ist Jauck überzeugt.

Ständige Weiterentwicklung

"Es war ein Prozess von 18 Jahren Entwicklung", resümiert Axmann. Der Volksschullehrer aus Wien-Floridsdorf will weiter nach Möglichkeiten suchen, seinen Schülern neue digitale Lerninhalte zu bieten und so ihre Kreativität fördern: "Als Lehrer ist man nur der, der hilft umzusetzen. Die Kreativität kommt allein von den Kindern."

Schelhowe von der Uni Bremen unterstreicht dieses Bemühen: "Es braucht Bildungsstätten, in denen alle befähigt werden, mit digitalen Medien souverän zu interagieren." Schülerinnen und Schüler würden sich dadurch Möglichkeiten für die eigene Entwicklung, für das soziale Miteinander und für den Zugang zur Welt schaffen.

An der AHS Zell am See ist man diesem Schritt bereits nahe. Zwar gibt es in der Oberstufe noch keinen so hohen Technologieeinsatz, nach den ersten vier Pilotjahren an der Unterstufe will AHS-Lehrerin Jauck nun aber den nächsten Meilenstein an ihrer Schule setzen: "Jetzt geht es darum, das Geschaffene auch in die Oberstufe zu bringen."

Philipp Maschl, science.ORF.at

Mehr über die Technologiegespräche 2015: