Standort: science.ORF.at / Meldung: "Wie Staub vom Bauernhof vor Asthma schützt"

Zwei Kühe und ein Mädchen, das sich über die Kühe freut

Wie Staub vom Bauernhof vor Asthma schützt

Kinder, die auf Bauernhöfen leben und Kontakt mit Tieren aller Art haben, bekommen seltener Asthma und Allergien. Als Ursache dafür gilt, dass etwas weniger Hygiene in der Kindheit dem Immunsystem guttut. Warum das so ist, klärten Biologen nun bei Versuchen mit Mäusen: Laut ihrer Studie liegt es an Teilen bestimmter Bakterien.

Hygiene 04.09.2015

Diese werden über die Schleimhäute aufgenommen und lösen Entzündungsprozesse aus. Geschieht das in der Kindheit, kann das später vor Asthma schützen, wie die Forscher um Martijn Schuijs von der Universität Gent in Belgien berichten.

Bestätigt Hygienehypothese

Die Studie der Forscher unterstützt die Hygienehypothese, die seit mehr als 20 Jahren bekannt ist. Ihr zufolge führte die Tendenz zu immer mehr Sauberkeit dazu, dass Kinder weniger mit Mikroorganismen in Berührung kommen. Dadurch kann ihr Immunsystem weniger gut lernen, wie es mit fremden Substanzen umgehen soll, und neigt später zu Überreaktionen.

Kinder auf Bauernhöfen – oder mit Haustieren in der Wohnung – hingegen atmen über den Staub aus Stall oder Käfig ständig Teilchen von Bakterien oder Pilzen ein. Vor allem bestimmte bei Kühen vorkommende Mikroben gelten als allergiemindernd. Neben vielen anderen Partikeln enthält der Staub in der Luft auch verschiedene Endotoxine: Das sind Bestandteile der äußeren Zellmembran von Bakterien. Über die Schleimhäute oder andere Wege in den Körper aufgenommen, führen sie zu Entzündungen.

Die Studie

"Farm dust and endotoxin protect against allergy through A20 induction in lung epithelial cells" von Martijn Schuijs und Kollegen ist am 3. September 2015 in "Science" erschienen.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmete sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 3.9.2015, 13.55 Uhr.

Ein Kind im Kinderwagen blickt auf ein zahmes Huhn

APA/dpa/Thomas Warnack

Für das Immunsystem ideale Kombination

Die Forscher haben nun Mäusen zwei Wochen lang täglich Endotoxine in niedrigen Dosen verabreicht, zudem gab es eine unbehandelte Kontrollgruppe. Anschließend wurden die Tiere beider Gruppen Staubmilben ausgesetzt, die bei ihnen wie beim Menschen allergische Reaktionen auslösen können. Ergebnis: Die mit Endotoxinen behandelten Tiere entwickelten keine allergischen Symptome, wohl aber die Kontrollgruppe. Ähnliche Ergebnisse gab es, wenn den Tieren auf Bauernhöfen gesammelter Staub verabreicht wurde.

Wichtiges Enzym entdeckt

In weiteren Versuchen prüften die Wissenschaftler die Abläufe in menschlichem Gewebe. Sie analysierten mit Zellkulturen von Lungengewebe gesunder Probanden und Asthmapatienten, wie die Zellen auf Endotoxine reagieren. Resultat: Bei den Gesunden hatten sich weniger der für Allergien typischen Entzündungsmoleküle gebildet.

Eine wichtige Rolle bei dem Vorgang spielt ein bestimmtes Enzym: Die gesunden Gewebe wiesen größere Mengen des Enzyms A20 auf als die asthmatischen. Medikamente, die an diesem Enzym ansetzen, könnten in Zukunft Kinder schützen, die aus einer "allergieanfälligen" Familie kommen, schreiben die Forscher.

Endgültig geklärt sei der Mechanismus der Hygienehypothese damit nicht, heißt es in einem "Science"-Begleitkommentar zu der Studie. So sei etwa bekannt, dass auch das Trinken unverarbeiteter Milch auf Bauernhöfen Kinder vor Asthma schützt – und das hat definitiv nichts mit der Lunge zu tun. Auch seien die absoluten Endotoxinwerte auf Bauernhöfen und in Städten nicht dermaßen unterschiedlich, dass sie die beobachtete Wirkung komplett erklären. Aber: Ein Puzzlestein der Hygienehypothese wurde mit der aktuellen Studie gefunden.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at/dpa

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