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Mann vor einem Maschendrahtzaun

Unis öffnen Pforten für Flüchtlinge

Während sich die politische Debatte um Einreisekontrollen und Flüchtlingskontingente dreht, denkt man an Österreichs Universitäten schon einen Schritt weiter. Wie können Asylwerber Perspektiven entwickeln? Antwort der Universitätenkonferenz (UNIKO): indem man ihr Wissen nützt und sie studieren lässt.

Initiative 17.09.2015

Vorlesungen und Kurse für Flüchtlinge - das ist das Motto der Initiative MORE, die heute in Wien vorgestellt wurde. Jene, die in ihrem Heimatland ihr Studium abbrechen mussten, sollen dieses in Österreich fertig machen können. Und jene, die erst hier mit Kursen beginnen wollen, sollen das auch tun können, sagt UNIKO-Präsident Heinrich Schmidinger: "Im Rahmen dessen, was für sie möglich ist, können sie natürlich auch zu Abschlüssen kommen, das ist klar."

Ö1-Sendungshinweis

Über dieses Thema berichtet heute auch das "Mittagsjournal", 12.00 - 13.00 Uhr.

Soll konkret heißen: Wer an einem Abschluss interessiert ist, wird zunächst als außerordentlicher Hörer beginnen, dann irgendwann Dokumente über Vorbildungen nachreichen und das Studium als ordentlicher Hörer beenden.

Voraussetzung dafür sind freilich Sprachkenntnisse, weswegen Deutschkurse in der Angebotsliste ganz oben stehen. 16 Universitäten in ganz Österreich nehmen an dem Projekt MORE teil, darunter etwa die Musik- und Kunstunis, die Technischen Universitäten und die Alma Mater in Wien. Bei der Zulassung werde man betont unbürokratisch vorgehen, heißt es seitens der UNIKO - in Kenntnis der Verhältnisse in diesem Land wohl ein wichtiges Statement. Studiengebühren wird es für die Asylwerber übrigens keine geben.

Verurteilt zum Nichtstun

Flüchtlinge auf der Straße

APA/ROBERT JAEGER

September 2015: Flüchtlinge an der österreichisch-ungarischen Grenze bei Heiligenkreuz

Gleichwohl besteht das Ziel von MORE weniger darin, neue Akademiker auszubilden oder Wissenschaftler unter den Asylwerber zu rekrutieren. Sondern eher, den Menschen den Wiedereinstieg in ein normales Leben zu erleichtern. Asylwerber zu sein bedeutet nämlich: sich in der Warteschleife zu befinden, passiv, ohne Möglichkeit zu arbeiten. "Da wird jeder Mensch irgendwann depressiv", sagt Gerald Bast, Vizepräsident der UNIKO. Flüchtlinge sollen etwas tun können, anstatt - auf gut Wienerisch: "herumzusumpern". Das ist die eigentliche Stoßrichtung von MORE.

"Ich glaube, wir befinden uns am Beginn einer Zeitenwende", sagt Bast. "Migration wird ein großes Thema bleiben. Das wird die Wirtschaft, die Politik und auch die Bildungseinrichtungen ändern. Wir bereiten uns darauf vor. Wir werden nicht die sein, die dann überrascht sind."

Das ist die große Perspektive des Themas. Der "Migrationsdruck", das prognostizieren auch Demografen, wird in Zukunft nicht abnehmen. Und die Asylwerber werden nicht nur aus Syrien kommen, sie werden auch aus dem übrigen Nahen Osten, aus Nordafrika und Südasien nach Europa strömen.

Unigebäude wird zum Flüchtlingsheim

Blickt man im Kleinen auf das Thema, stellen sich freilich andere Fragen. Wo sollen die Leute schlafen? Wer sorgt für das Allernotwendigste, Essen, Trinken, Kleidung?

Auch hier hat Bast - als Rektor der Uni für Angewandte Kunst - etwas zu erzählen. Die Angewandte soll nächsten Sommer ein neues Institutsgebäude am Wienfluss im dritten Bezirk erhalten. Gegenwärtig wird das Haus allerdings zu sozialen Zwecken genutzt.

Die Bundesimmobiliengesellschaft beherbergt dort gegenwärtig mehr als 1.000 Flüchtlinge (übrigens nicht nur dort), das Rote Kreuz kümmert sich um die Versorgung - und die Leute von der Angewandten um entsprechende Kurse. Unter diesen befindet sich etwa auch eine Künstlerin und Traumatherapeutin, sie will sich nun speziell den Flüchtlingen widmen.

Robert Czepel, science.ORF.at

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