Offenbar liegt Schönheit zu großen Teilen im Auge des Betrachters - und nicht etwa in seinen Genen. Laut den Forschern Laura Germine vom Massachusetts General Hospital in Boston sind die persönlichen Vorlieben - trotz diverser Übereinstimmungen - auch von der ureigenen Erfahrung geprägt.
Umwelt und Erfahrung
Die Studie in "Current Biology":
"Individual Aesthetic Preferences for Faces Are Shaped Mostly by Environments, Not Genes" von Laura Germine et al., erschienen am 1. Oktober 2015.
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Die Forscher ließen insgesamt mehr als 760 eineiige und zweieiige Zwillingspaare die Attraktivität von 200 weiblichen und männlichen Gesichtern auf einer Skala von ein bis sieben bewerten. Die Zwillingspaare untereinander waren vom gleichen Geschlecht, insgesamt aber waren Frauen und Männer dabei.
Das Ergebnis: Unter eineiigen Zwillingen waren die Übereinstimmungen bei den Bewertungen trotz ihres identischen Genpools nicht größer als in der anderen Gruppe, sondern genauso groß. Persönliche Erfahrungen und Umwelt prägen demnach maßgeblich das individuelle Schönheitsempfinden, folgern die Forscher.

Germine et al.
"Wir schätzen, dass die individuellen ästhetischen Präferenzen bei Gesichtern etwa zur Hälfte mit denen anderer übereinstimmen und zur anderen Hälfte abweichen", schreiben Germine und Kollegen. "Das passt zu der allgemeinen Wahrnehmung, dass einerseits Models mit ihrem guten Aussehen erfolgreich sind, aber andererseits Freunde endlos darüber diskutieren können, wer attraktiv ist oder nicht."
Das sei umso bemerkenswerter, weil die Fähigkeit, ein Gesicht unter anderen wiederzuerkennen, vor allem genetisch bedingt sei, betonen die Forscher, die zur Gesichtswiedererkennung bereits 2010 eine Studie veröffentlicht haben.
Subjektive Sicht
Vor allem die ureigenen Erfahrungen seien es, die unser persönliches Schönheitsideal prägen. "Ausschlaggebend sind nicht die Arten von Umwelt, wie wir sie etwa mit Familienmitgliedern teilen. Sie sind viel subtiler, individueller und umfassen einzigartige, höchstpersönliche Erfahrungen, etwa mit Freunden, in sozialen oder populären Medien", sagt Germine. Mit anderen Worten: Nicht Schulwahl, Nachbarschaft oder finanzieller Background der Eltern sind wichtig, sondern vielmehr einzigartige Begegnungen, Filmbilder, die hängen bleiben, oder vielleicht das Gesicht der ersten Liebe.
Seit den 1990er Jahren haben diverse Studien gezeigt, dass Menschen symmetrische Gesichter im Allgemeinen attraktiver finden als asymmetrische, die mit prägnanten Einzelmerkmalen ausgestattet sind. Teilweise wurden sogar computergenerierte Gesichter vorgezogen: Wenn sie durch mehrere übereinandergelegte Porträts echter Menschen erzeugt (gemorpht) worden waren und somit eine künstliche "Durchschnittlichkeit" zeigten. Die neue Studie setzt nun einen Kontrapunkt: Für den einzelnen kann Asymmetrie demnach durchaus schön sein.
science.ORF.at/APA/dpa