Die Studie in "Nature"
"Global non-linear effect of temperature on economic production" von Marshall Burke et al., erschienen am 22. Oktober 2015
Die Forscher um Marshall Burke von der Stanford University haben für ihre Studie rückblickend berechnet, wie die Temperatur die Produktivität eines Landes verändert. Insgesamt werteten sie die Wirtschaftsdaten von 166 Staaten im Zeitraum 1960 bis 2010 aus und setzten sie in Beziehung zu den jährlichen Durchschnittstemperaturen. Die Wendemarke von 13 Grad bestehe unabhängig davon, wie hoch der Industrialisierungsgrad der Länder ist. Sie gilt laut den Forschern für die gesamte Wirtschaftsleistung von der individuelle Leistung der Arbeitskräfte bis zu jener der Landwirtschaft. Anders ausgedrückt: die Effizienz, mit der eine Gesellschaft Arbeitskraft, Kapital, Energie und andere Ressourcen in neue Güter und Leistungen verwandelt.
Bisher nur für arme Länder bekannt
Bisherige Untersuchungen hatten vergleichbare Zusammenhänge nur für arme Länder gefunden. Dafür gibt es allerdings eine recht einfache Erklärung: Die meisten armen Länder liegen schon jetzt in sehr warmen Regionen, die Auswirkungen sind also auch spürbarer. Viele reiche Länder hingegen liegen in der Nähe der optimalen Temperaturzone. Manche Regionen wie Europa würden zumindest mittelfristig von einer weiteren Erwärmung profitieren
Langfristig aber wird den Autoren zufolge die gesamte Weltwirtschaft leiden. Werde die Erwärmung nicht eingedämmt, drohe bei einem erwarteten Anstieg von gut vier Grad Celsius bis 2100 eine Verminderung der weltweiten Wirtschaftskraft von fast einem Viertel (23 Prozent) im Vergleich zu einer Situation ohne Temperaturanstieg, warnen Burke und Kollegen. In 77 Prozent der Länder werden die einzelnen Menschen im Schnitt ärmer sein, als sie es ohne steigende Temperaturen wären. Je nach Szenario seien fünf bis 43 Prozent aller Länder 2100 dann sogar ärmer, als sie heute sind.
Keine Gegenmittel
Insgesamt wird sich der Abstand zwischen armen und wohlhabenden Länder vergrößern, so eine weitere Schlussfolgerung. Das reichste Fünftel der Länder werde noch leichte Zugewinne einfahren - denn dort seien die Temperaturen meist noch vergleichsweise niedrig. So wurde es zwar auch in Österreich in den vergangenen Jahren wärmer. Die Durchschnittstemperatur 2014 lag nach Angabe der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) noch deutlich unter 13 Grad, nämlich bei 8,5 Grad.
Das klingt beruhigend, aber die Studie liefert ein auf lange Sicht weiteres ernüchterndes Ergebnis: Die reichen Staaten sind anders als bisher oft vermutet genauso anfällig für die Folgen der Erwärmung. Denn es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Erfahrungen mit Hitze oder technische Entwicklungen die globale Reaktion auf die Erwärmung in irgendeiner Weise verändert hätten. In einfachen Worten bedeutet das: Ein Anpassung an den Klimawandel ist weitaus schwieriger als vermutet. Weder Reichtum noch Erfahrung oder Technologien haben dem globalen Verlust der Wirtschaftskraft etwas entgegenzusetzen.
Höhere Verluste
In einem Begleitartikel betont der schwedische Ökonom Thomas Sterner darüber hinaus: "Diese Einschätzungen bedeuten wesentlich höhere ökonomische Verluste, als die meisten führenden Modelle sie nahelegen." Unter Umständen müssten Schadensvorhersagen um mehrere 100 Prozent erhöht werden. Dabei seien noch nicht einmal alle Umstände für die Hochrechnung berücksichtigt worden, wie die Forscher in ihrer Studie ergänzen, z. B. fehlen durch den Klimawandel bedingte Effekte wie mehr tropische Zyklone und steigende Meeresspiegel.
Eva Obermüller, science.ORF.at/APA/dpa