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Toilettentür mit männlichem und weiblichem Symbol

Geschlechterunterschiede auf einen Blick

Wie viele Bürgermeisterinnen gibt es in Österreich? Welche Qualifikationen haben Frauen? Und wie viel verdienen sie? Diese Fragen beantwortet der "Gender Atlas" der Uni Wien anhand von interaktiven Landkarten. Sie zeigen, dass viele Potentiale nicht genützt werden.

Regionalforschung 22.10.2015

Unterschiede illustrieren

Eine Stadtkarte von Wien, auf der zahlreiche blaue Linien eingezeichnet sind, nur wenige rote kreuzen das blaue Netz: Diese Illustration ist ab heute im Rahmen des "Gender Atlas" online und zeigt, dass die Mehrheit der Straßen und Gassen in Wien nach Männern benannt ist.

Eine Ausnahme bildet die Seestadt Aspern. Das "rote" Grätzel ist zu einer Zeit entstanden, in der viel über Gleichstellungspolitik debattiert wurde. "Damals hat man versucht, Versäumnisse der Vergangenheit aufzuholen. Aber das war offensichtlich nur ein sehr kleines Zeitfenster in den 90er Jahren", sagt die Geographin und Genderforscherin Elisabeth Aufhauser, die das Projekt leitet.

Das Ausnahmeviertel: In der Seestadt Aspern in Wien sind sehr viele Straßen nach Frauen benannt (rote Linien).

Gender Atlas

Das Ausnahmeviertel: In der Seestadt Aspern in Wien sind alle Straßen nach Frauen benannt (rote Linien).

Der "Gender Atlas" geht auf eine Initiative der Forschungsgruppe Kartographie der Technischen Universität Wien zurück. Gemeinsam mit dem Institut für Geographie und Regionalforschung der Hauptuniversität und der ÖIR Projekthaus GmbH wurden die ersten 13 Landkarten soeben online gestellt. Sie illustrieren Geschlechterunterschiede in den verschiedensten Bereichen, etwa im Bereich der Mobilität, des Einkommens oder auch der politischen Teilhabe.

Ö1 Sendungshinweis:

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag im Mittagsjournal, am 22.10. um 12:00.

Qualifikation oft nicht sichtbar

Dazu gehört auch die Anzahl und Verteilung der Bürgermeisterinnen in Österreich. 141 Gemeinden werden derzeit von Frauen geführt. Ihnen stehen rund 2.200 Bürgermeister gegenüber. Dieses Verhältnis widerspricht der hohen Qualifikation von Frauen in Österreich: Unter den Jüngeren gibt es mehr akademisch gebildete Frauen als Männer.

Bürgermeisterinnen in Österreich

Gender Atlas

Die farbigen Flecken sind die Gemeinden mit Bürgermeisterinnen - die weiße Fläche wird von Männern regiert.

Das sei auch in ländlichen Regionen der Fall, sagt Elisabeth Aufhauser: "Auch bei der Generation der 40-, 50-Jährigen zeigt sich, dass am Land der Anteil der Frauen mit guten und sehr guten Qualifikationen höher ist, als der Anteil der Männer mit guten und sehr guten Qualifikationen. Es gibt Regionen, wo diese Anteile doppelt so hoch sind."

In der Politik schlagen sich diese Qualifikationen nicht nieder. Und auch als Wirtschaftsfaktor spielen sie eine untergeordnete Rolle. In der Bildungskarte zeigt der Gender Atlas zudem, dass sich junge Männer bei der Studienwahl eher an regionalen Spezialsierungen orientieren, während Frauen sehr viele unterschiedliche Qualifikationen in die Regionen bringen. "Da muss ein Umdenken einsetzen", sagt Aufhauser, "denn diese regionalen Spezialisierungen im Wirtschaftsbereich werden der sehr vielfältig qualifizierten jungen Bevölkerung vielfach nicht gerecht."

Gleichstellungspolitik evaluieren

Wie viele Frauen derzeit berufstätig sind, die Unterschiede bei den Gehältern oder die zunehmende Teilzeitbeschäftigung - auch diese Themen werden auf eigene Karten visualisiert.

Einkommenverteilung in Österreich

Gender Atlas

In den dunkelblau eingefärbten Teilen Österreichs verdienen Frauen im Verhältnis zu Männern besonders wenig, nur in den wenigen hell eingefärbten Teilen ist das Einkommen ausgeglichener.

Und der Vergleich dieser Graphiken offenbart interessante Aspekte: Auch wenn die Erwerbsquote seit den 1970er Jahren in Österreich laufend steigt und sich in dieser Zeit in vielen Bezirken beinahe verdoppelt hat, stagniert die Anzahl der vollbeschäftigten Frauen. Das heißt: Die Zahl der Frauen, die ein Vollzeiteinkommen haben und sich dadurch selbst erhalten können, ist in den vergangenen 40 Jahren nicht wirklich angestiegen.

13 Karten sind ab heute online - die Datenbank soll jedoch laufend erweitert werden. Ziel der Wissenschaftlerinnen ist es, der Politik und Verwaltung eine umfassende, regionalisierte Datenbasis zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe Gleichstellungspolitik gemacht und evaluiert werden kann.

Marlene Nowotny, Ö1-Wissenschaft

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