Die Amerikanische Großschabe "Periplaneta americana" hat es Tom Weihmann angetan. Der Zoologe von der University of Cambridge interessiert sich für diese Art, weil sie so "außergewöhnlich gewöhnlich ist", wie er sagt.
Gemeint ist ihre Anatomie - die in Südasien, Nordamerika und Europa verbreitete Schabe repräsentiert den Bauplan der Insekten in Idealform: Sechs Beine, robustes Außenskelett und urtümlich gebaute Beißwerkzeuge.
Vermessung der Kieferkraft
Letztere hat Weihmann in seiner letzten Studie unter die Lupe genommen. Das ist freilich keine ganz einfache Angelegenheit, denn besonders kooperativ sind die Schaben von Natur aus nicht.
Daher fixierte Weihmann die Tiere in liegender Position mit Hilfe von Zahnzement und einer Halskrause, animierte die Tiere zum Zubeißen (durch leichtes Anblasen von hinten) - und vermaß mit einem Sensor die dabei auftretenden Kräfte.
Die Studie
"Fast and powerful: Biomechanics and bite forces of the mandibles in the American cockroach Periplaneta Americana", Plos One (11.11.2015).

Tom Weihmann
Resultat: Die Amerikanische Großschabe entwickelt mit jeder Kieferschere eine Kraft von 0,5 Newton - das entspricht dem Gewicht einer halben Tafel Schokolade. Kein schwacher Wert, nachdem die Schaben selbst nur ein Gramm wiegen. Nimmt man beide Scheren zusammen, können sie mit ihren Kiefern das Hunderfache ihres eigenen Körpergewichts bewegen.
Wie Weihmann im Fachblatt "Plos One" schreibt, haben die Tiere dafür zwei verschiedene Muskeltypen zur Verfügung. Schwache Bisse bewerkstelligen sie mit schnellen Muskelfasern, bei harten Materialien starten sie den muskulären Turbo, aktivieren zusätzlich langsame Fasern und erreichen so ihre Maximalkraft.
Flucht-Akrobatik
Dass sie sich durch Holz- und Gipswände fressen können, ist angesichts ihrer Muskelkraft nicht verwunderlich. Theoretisch könnten die Schaben auch den Menschen mit ihren spitzen Kiefern zwicken. Zum Glück sind sie Fluchttiere und suchen im Zweifelsfall immer das Weite.
Das Bauprinzip - Außenskelett plus innen gelagerte "Motoren" - ließe sich auch bei Nanomaschinen anwenden, sagt Weihmann. Die Umsetzung will er aber den Ingenieuren überlassen. Nicht zuletzt deshalb, weil die Küchenschabe noch einiges an zoologischen Erkenntnissen verspricht. Sie ist, das zeigen die bisherigen Versuche, extrem robust und flink.
Will sie flüchten, springt sie vom Tisch, segelt zu Boden und rennt danach weiter, als wäre nichts gewesen. Sie kann Holz verdauen, übersteht längere Hungerperioden und lässt sich nicht einmal sonderlich beeindrucken, wenn ihr ein erwachsener Mensch auf den Rücken steigt.
"Die Amerikanische Großschabe", sagt Weihmann, "ist ein beeindruckendes Tier. Sie hat einen ausgeprägten Überlebenswillen." Der einzige Nachteil: "Die Tiere stinken. Wenn ich das Labor verlasse, habe ich das Bedürfnis den Geruch wegzukriegen."
Robert Czepel, science.ORF.at
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