Verschränkte Teilchen
Die quantenmechanische Verschränkung ist eine Konsequenz der Quantenmechanik. Die Theorie besagt, dass beispielsweise zwei verschränkte Lichtteilchen miteinander verbunden bleiben, auch wenn sie sich über große Distanzen voneinander entfernen. Manipuliert man an einem dieser Teilchen, indem man beispielsweise die Richtung der Lichtschwingung, misst, passiert augenblicklich auch an dem anderen etwas.
Könnte man zwei Spielwürfel verschränken, wüsste man bis zur Messung nicht, welche Augenzahl sie zeigen. Nach der Messung würde aber mit Sicherheit bei beiden die gleiche - zufällige - Seite nach oben zeigen. Da sich nichts schneller als das Licht ausbreiten kann, widerspricht dieses Verhalten der Speziellen Relativitätstheorie - was Einstein wohl zu seiner abwertenden Einschätzung als Spuk veranlasste.
In unzähligen Experimenten werden seit Jahren weltweit die mit dem gesunden Menschenverstand nicht nachvollziehbaren Effekte der Verschränkung nachgewiesen. Doch es blieben dabei immer noch gewisse Schlupflöcher offen und mit einiger Fantasie und Anstrengung ließen sich die Versuchsergebnisse auch mit der klassischen Physik und nicht quantenphysikalisch erklären. Etwa wenn die Teilchen verborgene Eigenschaften - die Physiker sprechen von "Variablen" - besitzen.
Die Studie
"A significant-loophole-free test of Bell's theorem with entangled photons" von Marissa Giustina und Kollegen ist auf dem PrePrint-Server "arXiv.org" erschienen. Die Forscher haben sie in den "Physical Review Letters" eingereicht.
Ö1 Sendungshinweis
Über das Thema berichteten auch die Ö1 Journale, 13.11., 18:00 Uhr.
Drei mögliche Schlupflöcher für klassische Physik …
So könnten die Informationen über die Messung an einem Teilchen über klassische Kommunikation zum anderen Teilchen gelangen (Kommunikations-Schlupfloch). Zudem wird in den Experimenten meist nur ein Teil der verschränkten Teilchen nachgewiesen. "Es könnte also sein, dass die Natur hinterfotzig ist und ich nur jene messe, die mit der Quantenphysik übereinstimmen", erklärte der Wiener Experimentalphysiker Anton Zeilinger. Das wird als "Nachweis-Schlupfloch" bezeichnet.
Das dritte Schlupfloch bezieht sich auf die Zufallszahlen-Generatoren, von denen die Wahl der Messeinstellung abhängt. "Theoretisch könnte es sein, dass die Welt etwas ganz Verschworenes ist und die Zufallszahlen-Generatoren fremdgesteuert werden und die Auswahl der Messung auf beiden Seiten nicht völlig frei und unabhängig war", so Zeilinger. Das wird als "Unabhängigkeits-Schlupfloch" bezeichnet.
… nun auf einmal geschlossen
In verschiedenen Experimenten wurden bereits einzelne und auch zwei Schlupflöcher geschlossen. "Wir haben nun die drei wichtigsten Schlupflöcher in einem Experiment auf einmal geschlossen", sagte Zeilinger. Mit "wir" meint er dabei einerseits eine Gruppe des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Fakultät für Physik der Universität Wien, andererseits eine Gruppe am National Institute of Standards and Technology (NIST) in Boulder (US-Staat Colorado). "Beide Gruppen haben ähnliche Experimente gemacht, beide mit Photonen, und kommen im Wesentlichen zu den gleichen Ergebnissen", so Zeilinger.
Die Wiener Forscher haben ihr Experiment im Keller der Hofburg durchgeführt, weil dort die nötige Ruhe herrsche und entsprechend lange Flugstrecken für die Photonen realisierbar waren, so der Physiker. Sie erzeugten Photonen paarweise und verschränkten sie miteinander.

Google Earth 2015 CNES/Astrium, DigitalGlobe
Anschließend wurden die beiden Lichtteilchen getrennt und in optischen Glasfasern zu zwei jeweils 30 Meter entfernten Messstationen geschickt. Auf dem Weg dorthin wählte ein Zufallszahlengenerator die Messrichtung der Polarisation aus, also die Richtung, in der die Lichtteilchen schwingen. Schließlich wiesen hochempfindliche Detektoren die Photonen bei den Messstationen nach.
Durch die spezielle räumliche Ausrichtung, den zeitlichen Ablauf der einzelnen experimentellen Schritte und den Einsatz modernster Komponenten konnten die Wissenschaftler die drei wichtigsten Schlupflöcher in einem Experiment schließen. "Dies ist gleichzeitig die Bestätigung dafür, dass Quantenkryptographie wirklich abhörsicher sein kann", betonte Zeilinger.
science.ORF.at/APA
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