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Eine Pflanze wächst aus einem verdorrten Stück Boden

Was passiert, wenn Paris scheitert

Mehr als 110 Hitzetage pro Jahr in Wien, Graz und Eisenstadt, dazu deutlich weniger Regen selbst im Salzkammergut: Das zeigen neue Prognosekarten bis Ende des Jahrhunderts für den Fall, dass es nicht gelingt, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren.

UNO-Klimakonferenz 27.11.2015

Bei der UNO-Klimakonferenz in Paris (30.11 - 11.12.) geht es deshalb darum, solche Szenarien zu vermeiden. Vertreter aus mehr als 190 Ländern kommen mit dem Ziel zusammen, den Klimawandel einzudämmen und die Erderwärmung zu begrenzen - auf maximal zwei Grad plus im Vergleich zum Zeitpunkt vor der Industrialisierung.

Worst-Case-Szenario

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Klimakonferenz Paris

Anlässlich der Weltklimakonferenz (COP21) von 30.11. bis 11.12. in Paris berichtet der ORF in Radio, TV und Online über Klimapolitik und den aktuellen Stand der Klimaforschung.

ZIB-Beitrag in tvthek.ORF.at
Zeit im Bild
Ö1-Schwerpunkt

Debatte: Gegen Klimawandel: Was kann der Einzelne tun?

Was mit dem Klima in Österreich geschieht, wenn das nicht gelingt, zeigen die neuen Karten, die in der Zeit im Bild präsentiert wurden. Sie stammen von der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien und wurden im Auftrag des Lebensministeriums erstellt. Grundlage sind Daten einer kanadischen Forschergruppe, die ein globales Klimamodell bis ins Jahr 2100 berechnet hat – und zwar für einen Extremfall, der nur dann eintritt, wenn Treibhausgase ungezügelt in die Atmosphäre ausgestoßen werden.

"Das ist ein Worst-Case-Szenario", erklärt Herbert Formayer von der BOKU. "Wir haben es gemacht, damit man sich auch einmal in der Klimafolgenforschung mit den schlimmsten möglichen Entwicklungen beschäftigen kann." Das Szenario geht von einer Erwärmung von mehr als vier Grad im globalen Mittel aus und würde die durchschnittlichen Temperaturen in Österreich um sieben Grad steigen lassen.

Hitzetage in Österreich

Verhältnisse des Wiener Beckens auf der Rax

Diese extremen Folgen sind aus heutiger Sicht nicht erwartbar, denn noch vor Beginn der Klimakonferenz haben die meisten Länder ihre Pläne bekanntgegeben, wie viele Treibhausgase sie einsparen wollen: Addiert man diese freiwilligen Zusagen, kommt man auf eine Erwärmung von "nur" 2,7 Grad. Immer noch über dem Ziel der Zwei-Grad-Erwärmung - bei der der Klimawandel laut Experten noch halbwegs verträglich ablaufen soll -, aber weit unter den vier Grad des Szenarios.

Dennoch sind die Karten der BOKU höchst aussagekräftig, denn sie zeigen, was passiert, wenn die Politik in Paris versagt oder sich nicht an getroffene Vereinbarungen hält - so wie das teilweise auch schon beim Kyoto-Protokoll geschehen ist.

Das BOKU-Modell sieht wahrhaft heiße Zeiten auf Österreich zukommen: "Man muss bei diesem Szenario davon ausgehen, dass die Verhältnisse, die wir derzeit in den tiefen Lagen in den Tälern haben, am Ende des Jahrhunderts auf einer Seehöhe von 1.500 Metern vorkommen werden", sagt Herbert Formayer gegenüber der ZIB. "Verhältnisse, wie wir sie derzeit im Wiener Becken haben, gibt es dann auf der Rax. Und jene des Grazer Beckens auf dem Niveau vom Schöckl."

Mehr Hitze, weniger Niederschläge

Die Hitzetage – also Tage, an denen es 30 Grad oder heißer ist – nehmen laut Modell drastisch zu: Im Hitzesommer 2015 gab es beispielsweise in Eisenstadt 40 solcher Hitzetage. Eigentlich liegt Eisenstadt - wie große Teile Österreichs - in einer Region, in der es im langjährigen Mittel maximal 15 Hitzetage gegeben hat.

Doch sie könnten zum "Normalfall" werden, wie die Modellrechnung zeigt: Bis zum Jahr 2050 werden ihr zufolge im Schnitt schon bis zu 65 Hitzetage pro Jahr erwartet. Und wenn die Emissionen weiter ungebremst steigen, könnte es bis zum Ende des 21. Jahrhunderts in weiten Teilen Österreichs schon bis zu 95 Hitzetage geben, in Wien, Graz und Eisenstadt sogar mehr als 110 Hitzetage.

Auch die Niederschläge werden sich laut dem BOKU-Modell deutlich verändern. Die Sommer würden besonders heiß, und deshalb würde deutlich weniger Wasser zur Verfügung stehen. "Wir hätten dann eine Vegetation bei uns, die im Sommer das Wachstum einstellt, weil zu wenig Bodenfeuchte vorhanden ist", sagt Formayer. "Das würde bedeuten, dass die jetzige Vegetation vollständig zusammenbricht und sich eine andere aufbaut, die auch im Sommer eine Ruhephase hat."

Prognostizierte Niederschläge

Karten haben Auflösung von einem Kilometer

Die Forscher haben Daten des jüngsten IPCC-Berichts verwendet, das sogenannte RCP 8.5-Szenario, das von sehr starken Treibhausgasemissionen ausgeht. "Über diese Daten haben wir für den Alpenraum ein regionales Klimamodell gelegt. Und die Ergebnisse haben wir mit Beobachtungsdaten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik verfeinert und Fehler korrigiert."

Herausgekommen sind Karten mit einer Auflösung von einem Kilometer und verschiedenen Kennzahlen für Temperatur und Niederschlag. "Man kann in sie hineinzoomen und sich die eigenen Regionen genauer anschauen", sagt Herbert Formayer. "Das ist wichtig, da die Temperatur bei uns natürlich von der Seehöhe abhängt. Wenn man in die Gebirgsregionen hineinzoomt, sieht man sehr schnell große Unterschiede, je nachdem, auf welcher Seehöhe man ist. Mit unserer Auflösung kann man sich seine Gemeinde aussuchen und schauen, wie die Verhältnisse dann sein werden."

Die BOKU-Forscher haben einen Referenzzeitraum definiert, nämlich von 1981 bis 2010. Ausgehend von diesem aktuellen Klima zeigen ihre Karten in Zehnjahresschritten, wie sich die Verhältnisse verändern.

Text: Lukas Wieselberg, science.ORF.at; Interview: Florian Petautschnig, Miriam Beller, ZIB; Grafik: Günter Hack, ORF.at, Jakob Weichenberger, ZIB

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