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Frauenhand und Computermaus

Psychologische Hilfe auf Knopfdruck

Rund eine Million Österreicherinnen und Österreicher hat mit psychischen Problemen zu kämpfen - ein Teil davon sucht nie professionelle Hilfe, weil Zeit und Geld fehlen oder weil sich die Betroffenen schämen. An diese Menschen, aber auch an Unternehmen wendet sich die neue Online-Plattform Instahelp.

Online-Plattform 10.12.2015

Internet "ideal"

Ö1 Sendungshinweis:

Über Instahelp berichtete auch "Wissen Aktuell" am 10. Dezember 2015 um 13.55 Uhr.

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Hilfsangebote bei akuten Krisen:

"Beschreiben Sie Ihr Anliegen. Sie erhalten innerhalb von zwei Minuten eine Rückmeldung", steht im Chatfenster geschrieben, wenn man die Homepage von Instahelp.me aufruft. Damit ist man auch schon beim Kern der Sache, der im Fall von Instahelp der Chat ist.

Über dieses schriftliche Gespräch, das verschlüsselt über das Internet geführt wird, kann man einen ersten Kontakt herstellen, sein Problem beschreiben und besprechen, bei welchem Psychologen man am besten betreut wäre.

Gerade bei psychischen Problemen ist das Internet ein "idealer Kommunikationsweg", sagt Martin Pansy, Geschäftsführer von Instahelp. Vor allem Anonymität sowie örtliche und zeitliche Unabhängigkeit sprechen für die chatbasierte Lösung.

Internationale Erfahrungen

Aber ist es überhaupt möglich, psychische Probleme wie Depressionen, Burnout oder Suchtverhalten über einen Chat im Internet seriös zu betreuen? "Ja", sagt Ernst Berger, Psychotherapeut und Facharzt für Psychiatrie und Neurologie.

"Es gibt mittlerweile genügend internationale Erfahrungen, und auch ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass ein chatbasierter Austausch funktionieren und auf diesem Weg Hilfe geleistet werden kann", so Berger. Er ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von Instahelp, der sich vor allem um die Qualitätssicherung kümmert.

Die Grenzen des Projekts sieht er dort, wo die Beratung in die Therapie, etwa eine Psychotherapie übergeht: Und "bei einer Akutgefährdung, also wenn jemand Gedanken an Suizid oder Ähnliches andeutet oder auspricht." Dann müsse die betreffende Person sofort an bestehende Hilfseinrichtungen weitergeleitet werden.

Nur Psychologen betreuen

Wichtig sei es auf die Qualifikation der beratenden Personen zu achten, sagt der Experte. Deshalb chatten bei Instahelp ausschließlich dafür ausgebildete Menschen mit Betroffenen: Beim Erstkontakt sind es Absolventinnen und Absolventen der Sigmund-Freud-Universität (SFU), die sich zum klinischen Psychologen ausbilden lassen.

Sobald die Erstberatung in ein länger andauerndes Betreuungsverhältnis übergeht, sind es fertige klinische Psychologen. Die SFU ist der wissenschaftliche Kooperationspartner für das Projekt.

Geschäftsmodell Beratung

Es muss aber auch offen gesagt werden: Hinter Instahelp steckt ein Geschäftsmodell. Die Erstberatung ist gratis, sobald eine längerfristige psychologische Betreuung nötig ist, muss ein Betroffener derzeit 99 Euro pro Monat zahlen.

Auch für Unternehmen könnte das Angebot einer absolut vertraulichen und anonymen psychologischen Beratung interessant sein, hofft man bei Instahelp. Schließlich gehen immer mehr Krankenstände auf psychische Probleme zurück, Beschäftigte wollen über das eigene Unternehmen angebotene Hilfe aber nicht annehmen, weil sie Angst davor haben, vertrauliche Inhalte könnten doch irgendwie zu den Vorgesetzten durchdringen.

Ethisch vertretbar?

Aber ist es ethisch vertretbar, aus den psychischen Problemen von Menschen ein Business zu machen? "Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass Gesundheitsdienste im weitesten Sinn gesellschaftlich zur Verfügung gestellt werden sollten. So ist es aber nicht", sagt Psychiater Ernst Berger.

"Mittlerweile ist psychologische Beratung ein Markt geworden, von dem die Krankenkassen nur einen kleinen Teil abdecken. Das ist die Realität - ob mir das gefällt oder nicht." Instahelp ist in diesem Sinn ein neuer Player in einem boomenden Markt.

Elke Ziegler, science.ORF.at

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